Türkei 21.04. – 02.06.1989

Donnerstag, 20.04., mein letzter Arbeitstag in Bonn. Ich fahre vor dem offiziellen Feierabend nach Hause, Gleitzeit ist noch ein Fremdwort im Ministerium. ´Es wird schon nichts passieren, ich hatte bislang noch nie einen Unfall´, entgegne ich dem Kollegen, der mich auf den vorzeitigen Aufbruch anspricht!
Wir wollen morgen zeitig los und es gibt viel zu tun: Motorräder auf den Hänger verladen, Campingausrüstung packen ebenso wie all das, was man so meint für sechs Wochen Urlaub zu dritt zu brauchen. Jürgens GSX 1100 E hat ebenso wie meine GS 550 Katana für die Reise Stollenreifen bekommen, Seitenkoffer und Packtaschen stehen bereit… Kurz vor der Autobahnauffahrt A 61 fahre ich an einer Ampel einem Citroen in den Kofferraum; so ein Mist, der Idiot hätte noch locker fahren können! Scheinwerfer kaputt, Polizei, Unfallaufnahme etc… und ich komme erst recht spät nach hause, kein guter Auftakt.

Freitag heißt es zunächst zur Werkstatt fahren. Gott sei Dank ist der Scheinwerfer auf Lager und gegen Mittag kommen wir los. Fahren noch bis Brixen, übernachten im Hotel mit Parkplatz für Auto und Hänger. Der Bummel durch die nette Altstadt fällt wegen leichtem Nieselregen vergleichsweise kurz aus.
Der nächste Morgen ist kalt. Auf den Bergen liegt Neuschnee, aber der Brennerpass ist frei. Wir hören später, dass es nachmittags stark geschneit hat, na ja Glück gehabt!

Bei Chioggia finden wir schnell den gebuchten Campingplatz. Hier werden Auto und Anhänger die nächsten fünf Wochen während unserer Motorradreise auf uns warten. Wir satteln die Bikes und fahren Richtung Venedig zum Hafen. Ein Blick gen Himmel verheißt nichts Gutes, es wird doch wohl keinen Regen geben in Bella Italia? Wir finden ebenfalls ohne Probleme die Fähre, die ‚Samsun‘ soll uns in die Türkei bringen . Nach Erledigung der Formalitäten bleibt noch Zeit für einen Bummel. Wir treffen ein älteres Ehepaar mit Motorrad und motorisierten Krad“kindern“, einen Solisten auf einer MZ, eine Familie mit zwei Kindern auf einer recht neuen, großen BMW mit Boot und noch einige andere Biker – im Verlauf der Reise werden wir uns fast alle hier und da wieder sehen.
Gegen Abend fahren wir aufs Schiff und beziehen unsere Kabine: dunkel und klein, aber zum schlafen und umziehen reicht sie, auch wenn die Motorradklamotten gleich den Eindruck der „Überfüllung“ hinterlassen. An Deck schauen wir noch zu, wie die Fähre bei Nacht den Hafen von Venedig verlässt, bevor wir müde in unsere Kojen fallen.

Die Schifffahrt durch die Adria ist  verregnet, entsprechend schlecht ist auch die Aussicht auf die Küste und die jugoslawische Inselwelt. Wir besichtigen stattdessen das Schiff, besuchen den heißen und sehr lauten Maschinenraum. Die Arbeiter sind sehr nett, aber niemand spricht englisch oder gar deutsch. Dank Jürgens Ingenieurkenntnissen ist er in der Lage, uns trotzdem das eine oder andere zu erläutern.
Tagsdrauf bessert sich das Wetter. Wir halten uns an Deck auf und Sarah findet Freundinnen. Mit der Durchfahrung der Straße von Korinth, die vor rund 100 Jahren von ungarischen Ingenieuren gebaut wurde, steht nachmittags das Highlight der Fährfahrt auf dem Programm. Während wir uns der Meerenge nähern, glaubt keiner, dass das Schiff dort hindurch passt, kleiner und kleiner scheint die Meeresstraße zu werden. Vorne und hinten von Lotsenschiffen gezogen schleichen wir Meter um Meter voran, die Kanalwände im seitlichen Blick und zum greifen nah. Es passt!

Am vierten Tag unserer Reise erreichen wir mittags in Izmir die Türkei und die Reisefieberkurve steigt steil an! In die Moppedklamotten steigen, Maschinen beladen, Zollformalitäten erledigen und wir rollen aus dem Hafen. Für die Familie mit dem BMW-Boot scheint die Reise hier zu Ende zu sein, Maschine defekt – wir sehen sie aber später wieder, ein geschäftstüchtiger und findiger Türke konnte helfen. Kurz nach Verlassen des Hafens steigt auch der Adrenalinpegel steil an, denn wir sind nicht darauf vorbereitet, dass Kanaldeckel in Städten komplett fehlen, dank erhöhter Aufmerksamkeit gelingt es uns, die riesigen Löcher zu umfahren. Zusätzlich zur notwendigen Orientierung ist dies eine unliebsame Ablenkung. Zudem rast auch ein Taxifahrer mit uns um die Wette; ´man was für ein Chaos´ denken wir jeder für sich, das fängt ja gut an! Zu Reisefieber und Adrenalinstoß gesellt sich Unmut, bis wir merken, dass der Mann uns darauf aufmerksam machen möchte, dass Sarah auf dem Sozius schläft und er uns zudem aus der Stadt lotsen will – nun, wir müssen türkische Gastfreundschaft wohl noch lernen! In Kusadasi erreichen wir unseren ersten schönen Campingplatz. Hier feiern wir morgen Sarahs Geburtstag, sie wird fünf Jahre alt.

Wir beginnen den Tag mit Geburtstagsgeschenken und einem Lied. So wird ein älteres deutsches Urlauberpaar auf uns aufmerksam und der Mann spielt auf einer Art Hammondorgel für unsere Tochter mehrere Ständchen begleitet von schönem Gesang. Unsere Tochter genießt die Aufmerksamkeit um ihre Person und hat gleich zahlreiche Vorschläge für die weitere Tagesgestaltung: erstmal zum Strand und schwimmen gehen. Hier treffen wir die ersten Leute vom Schiff wieder und natürlich erzählt Sarah, dass sie Geburtstag hat, klappt auch prompt, neben guten Wünschen werden die Portemonnaies gezückt und Eis spendiert.

Mit dem Dolmus fahren wir nach Efes (gr. Ephesos) und zum Ausklang des Geburtstags spendieren wir eine Kutschfahrt. Bei der Besichtigung der im Altertum einer der ältesten größten und bedeutendsten griechischen Städte Kleinasiens, die mit dem Tempel der Artemis eines der Sieben Weltwunder beherbergt(e), hole ich mir einen heftigen Sonnenbrand. Bei dem leichten Wind, der die ganze Zeit um die Ruinenstätte wehte, habe ich das leider zu spät bemerkt.
Unsere erste Urlaubswoche ist verflogen und wir brechen zur zweiten Zeltetappe nach Fethiye, genau gesagt nach Öludeniz, auf. Die Straßen sind gut, die Landschaft wunder-schön. Zum türkisblauen, glasklaren Meer führt eine breite aber dick geschotterte Piste hinab, dank der Stollenbereifung auf unseren Dickschiffen ist sie gut zu meistern, einzig die Serpentinen sind eine aus meiner Sicht überflüssige Garnitur. Den Samstag verbringen wir mit schwimmen, spazieren gehen, Telefonaten in die Heimat und schreiben erste Postkarten.

Unterwegs
…  

30.04. Die 3. Etappe führt nach Okürcular nahe Alanya. Die 50 km lange Schotterstraße mit 4-5-spurigem Verkehr dorthin ist eine anstrengende Erfahrung. Bei Helga und Ahmet entschädigt die kleine Campingoase oberhalb des Meeres. Abends wird for alle gekocht, gemeinsam gegessen, erzählt.  Wir genießen das warme Meter, das Leben im nahen Dorf, die Gespräche mit anderen Reisenden.
Am 02. Mai feiern wir wieder Geburtstag. Auch diesmal machen wir eine Fahrt mit dem Dolmus. Auf der Fahrt nach Alanya bekommen Jürgen und Sarah einen Platz angeboten, ich darf stehen bleiben. Ein Boot bringt uns von der Stadt zur nahe gelegenen Damlatashöhle mit ihren zahlreichen Tropfsteinkavernen, eine ausgesprochen abenteuerliche Fahrt. Insbesondere die facettenreichen Lichtspiele, entstehend aus Wasser, Sonne und Kristallen, beeindrucken.

Und wieder packen wir unsere Campingausrüstung auf die Maschinen, verabschieden uns begleitet von guten Wünschen und richten unser Ziel auf das Landesinnere, Konya, auf die Stadt der tanzenden Derwische, aus. Die Fahrt ist herrlich, ebenso die Landschaft, durch die unser Weg führt. Ich fühle mich rundum wohl und erfreue mich am Blick von Sarah und Jürgen, die vor mir herfahren…. Dann passiert es. Aus heiterem Himmel schmiert meine Katana weg, ich stürze aus voller Fahrt auf die linke Seite, drücke wohl im Sturz noch den Killschalter und die Maschine von mir weg und rutsche, bis wir beide kurz vor einem Abhang zum Stehen, besser liegen, kommen. SCHEI…. Jürgen bemerkt recht schnell, dass etwas nicht stimmt, kommt zurück und aus Solidarität legt er seine Maschine direkt neben meiner ab. Die Straße ist spiegelglatt! Der Schaden an meiner Katana ist beachtlich: Öl läuft aus, der Aludeckel der Lichtmaschine ist defekt, ebenso die Frontlampe, der Lenker stark verbogen. Ist die Maschine hier in der Einsamkeit zu retten oder endet der Urlaub in den türkischen Mittelgebirgen? Nebenbei: ich selber habe dank guter Kleidung nur Schrammen am Ellenbogen und eine Prellung am Knie.

Wie wir so den Schaden begutachten, es sind auch noch einige Dinge von der Campingausrüstung dem Sturz zum Opfer gefallen, hält neben uns ein VW-Bulli und Türken aus Ahrweiler steigen aus. Die Verständigung ist problemlos und sie bieten an, Jürgen mit dem defekten Limadeckel in die nächste Ortschaft zu einem Büchsenmacher zu bringen. Ein Angebot, das wir gerne annehmen. Ich bleibe mit Sarah zurück und richte, was zu richten ist. Ein kleiner türkischer Junge, der von irgendwoher kommt, leistet uns Gesellschaft. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt Jürgen zurück, der Deckel ist in der Tat repariert – Alu gelötet, der Deckel bleibt bis zum Verkauf der Maschine zu späterer Zeit dicht! – und kurze Zeit darauf fahren wir ins Dorf, um den Rest an der Maschine zu justieren, insbesondere der Lenker bedarf der Behandlung! Im Dorf angekommen werden wir gleich von den Bewohnern umringt. Insbesondere Kinder umlagern die Maschinen und Sarah, die in ihrer Montur wie ein Wesen von einem anderen Stern wirkt. Meine Tochter und ich werden von den Frauen ins Wohnzimmer eines großen Hauses geführt, während Jürgen mit den Maschinen und den männlichen Dorfbewohnern in der Werkstatt verschwindet. Nach erfolgreicher Arbeit findet die Familienzusammenführung statt und der Reparaturmeister bittet Jürgen um eine Probefahrt mit meiner Katana. Jürgen fragt mich, ich stimme zu, das erscheint mir alternativlos, und ich beobachte, wie der kleingewachsene Retter ungeübt aber voller Stolz durch die Ortschaft fährt. Na, er hat die Maschine wieder flott gekriegt, dann ist das Risiko ja wohl auch berechenbar. Zufrieden, aber auch verunsichert verabschieden wir uns von den freundlichen Menschen und fahren bis zum Beysehirsee. Wir bauen kein Zelt auf, sondern mieten uns ein „Zimmer“. Ich bin völlig geschafft und frustriert. Angst begleitet mich beim Fahren. Ich komme kaum in Schwung, nur ja keine Schräglagen, erst recht nicht nach links. So ähnlich bleibt es die nächste Zeit, der Schock sitzt tief! Während der Stunden, die ich auf dem Krad verbringe, bilden sich vielfältige eher düstere Gedanken in meinem Kopf

Motorrad fahren
Freiheit!
Wiesen mit duftenden Blumen,
Hitze der Felder, Flirren der Luft,
Kühle der Wälder, Wind im Gesicht.
Sicherheit der Selbstverständlichkeit.

Kälte der Wälder,  feuchte Straßen….
Sicherheit?
Angst zieht durch die gewundenen Straßen meiner Seele.
Gefangen in den Ketten der Droge.

Fallen! Verwirrung!
Fragen….Warum?
Freiheit?
 Angst!
Gefangen in den Ketten der Droge….

Neben trüben Gedanken taucht zunehmend eine erfreuliche, aber gleichzeitig auch beängstigende Frage auf: Bin ich schwanger?
Wir lassen uns trotz allem nicht von unserer Reiseroute abbringen. Über Konya, Sultanhani und Aksaray fahren wir bis Göreme. Am östlichsten Ziel unserer Reise treffen wir hier in Kappadokien die MZ und die Gespannfamilie wieder.
Wir besuchen die Kleinstadt, umliegende Dörfer und erleben eine für uns fremde Welt, in der wir hier und da auch Ablehnung erfahren. Insbesondere Sarah ist bei unseren zahl-reichen Spaziergängen beeindruckt davon, dass die Männer auf Eseln vom Feld nach Hause reiten und die Frauen das Heu auf ihren Rücken zu Fuß schleppen.

Atemberaubende Täler mit den sogenannten Feenkaminen bilden eine Landschaft, die nicht von dieser Welt zu sein scheint. Vulkane schleuderten vor ca. 20 Millionen Jahren Tuffasche in die Luft, die sich im Umland ablagerte.
Witterungseinflüsse spülten das weiche Material aus und übrig blieb das härtere, spröde Gestein. Anfang des 1. Jahrtausends fand hier der Apostel Paulus Anhänger und große Teile Kappadokiens waren von Christen besiedelt. Unter der Verfolgung im römischen Reich und den Arabereinfällen fanden sie Zuflucht in den versteckten unterirdischen Städten oder Höhlen. Erst um 1100, als die religiös toleranten Seldschuken dominierten, konnten die Christen ihre Religion wieder frei ausleben und Christen aus Armenien, Syrien, Palästina und Ägypten fanden Schutz vor Verfolgungen. Als Kappadokien zum Osmanischen Reich zugehörig wurde wendete sich das Blatt erneut. Klöster wurden geschlossen und zunehmend bestimmten Moslems und der Islam das Leben, woraufhin viele Christen Kappadokien verließen oder zum Islam konvertierten. Während ich diese Zeilen am 03.10.2015 ergänzend und retrospektiv schreibe, erscheint mir das alles höchst aktuell. Menschen werden verfolgt und fliehen aus ihrer Heimat, ursächlich sind vordergründig Verknüpfungen von Religion und Staatsmacht.
Nachdem wir Kappadokien Ende der 80er Jahre bereisten, wurde es mehr und mehr zu einem touristischen Zentrum ausgebaut. Erfreuliche Nebeneffekte des Tourismus sind die Öffnung wie die Restauration vieler alter Kirchen und Klosteranlagen, die wieder zu besichtigen sind und teilweise zum Weltkulturerbe erklärt wurden.

Wir orientieren uns wieder zurück nach Westen und fahren entlang des Ostufers des Beysehir-sees bis Egirdir. Es ist kalt und stürmisch. Bei der alten Karawanserei Sultanhani aus dem 13. Jahrhundert, an der Seidenstraße bei Konya gelegen, machen auch wir Rast. Sarah, die Arme wird von einem Einwohner zu einer Moppedfahrt eingeladen. Stolz fährt er unsere Tochter durch die Stadt, die somit noch ein paar extra Meter auf dem Sozius verbringen muss.
Wir suchen uns eine Restauration und bestellen heißen Tee und Rühreier. Der ältere Mann, der uns bedient, merkt wie sehr ich friere; vor allem meine Hände sind weiß vor Kälte. Wohl aus einer Mischung von Gastfreundschaft und Mitleid heraus schenkt er mir ein paar bunt gestrickte Handschuhe, eine Geste, die mich tief berührt.

In Egirdir, am Gölü, dem viertgrößten See der Türkei, wollen wir auf der Halbinsel in einer Familienpension übernachten. Der Wind ist so heftig, dass ich befürchte, in den See geblasen zu werden. Abends gesellt sich zu allem Übel noch heftiger Regen dazu. Die gute Küche der Pension hilft ein wenig über die Unbill des Wetters hinweg. Während wir am nächsten Tag durch die Stadt bummeln bekommt Sarah einen schönen kleinen Teppich geschenkt. Man lädt zum Cay trinken ein, nicht um anschließend etwas zu verkaufen, sondern einfach nur um zu erfahren: woher, wohin, warum und so weiter….

9. Mai Aufbruch nach Pamukkale. Die Strecke führt über Isparta, Burdur und Denizli. Unterwegs machen wir mal wieder einen Orientierungsstopp – wir fahren noch mit Landkarten, die man ab und an auf dem Tankrucksack drehen muss, um den richtigen Ausschnitt vor sich zu sehen – und ein freundlicher LKW-Fahrer hält an und fragt uns, ob wir Hilfe nötig hätten. Als wir das verneinen schenkt er uns zum „Abschied“ so viele Apfelsinen, dass alle unsere Taschen, einschließlich der an den Jacken, überquellen.
Auf der Fahrt entlang der Sinterterrassen zum Campingplatz erleben wir Tourismus total einschließlich niederländischer Touristinnen oben ohne!
Den Platz ca. 4 km außerhalb erreichen wir über eine Piste. Er ist sehr schön gelegen, wenn auch die Infrastruktur zu wünschen übrig lässt. Wasser wird mit Traktoren herbei geschafft, auf dem Grill verkohlen Spieße, aber das Thermalschwimmbad mitten im Grünen ist eine Wucht.

Am nächsten Tag besichtigen wir neben den Kalksinterterrassen – man durfte noch darin baden – die Reste des antiken griechischen Hieropolis mit Amphitheater, Nekropole, Apollotempel und Stadttor.
Ein wenig Tourigebahren darf auch sein und Sarah macht eine Kameltour entlang der Ver-kaufsstände. Zurück am Platz gehen wir baden und Jürgen versucht der Ursache für meinen Sturz – außer der extrem glatten Straße – auf den Grund zu gehen: am Getriebe hat eine defekte Schnecke blockiert. Auch der nächste Tag vergeht mit Streifzügen durch die Gegend und baden. Leider fand nachts jemand Gefallen an Sarahs Teppich, den sie vor ihrem Zelt ausgelegt hat, um dort die Schuhe ausziehen und abstellen zu können! Wir haben den streunenden Campingplatzhund in Verdacht.

Freitag 12. Mai, wir machen uns auf zur achten Etappe. Über Sarayköy, Alamut, Korcarli und Söke gelangen wir wieder nach Kusadasi, auf unseren ersten Campingplatz in der Türkei. Inzwischen liegen fast drei Wochen voller Erlebnisse hinter uns. Wir mieten eine Art Zimmer, da morgen recht früh unser Schiff nach Samos ablegt. 100 Dollar kostet die Passage, dabei könnte man fast hinüber schwimmen! Naja, Türkei – Griechenland halt. Wir machen einen Stadtbummel, nicht zuletzt, um noch einige Souvenirs zu erstehen.

Auf Samos erkundigen wir uns nach einer Schiffspassage Richtung Athen. Wieder sind 100 Dollar fällig, allerdings diesmal für eine 12-stündige Dampferfahrt. Montag früh geht das Schiff, optimal, um Abends bei unseren Freunden in Maroussi bei Athen einzutreffen.

Der Tag auf Samos ist extrem heiß. Wir beschließen die teils hügelige, teils gebirgige Insel mit einem Mietjeep zu erkunden und erleben einen spannenden Tag mit wunderschöner Natur und herrlichem Fahrtwind. Der ist jedoch verantwortlich für die heftige Erkältung, die ich mir zuziehe. Meine Oma wusste es schon immer: Kind meide Zugluft! Nun denn, beim nächsten Mal werde ich dran denken, mal schauen ob ich es auch berücksichtige 😉

Den 15. Mai verbringen wir an Bord. Es ist heiß, kaum Schatten an Deck, unter Deck ist es zudem auch noch stickig. Mit extremer Lautstärke stampfen die Schiffsdiesel, um uns langsam und zäh Richtung Athen zu bringen. Im Hafen von Piräus starten die Autofahrer im Laderaum frühzeitig ihre Fahrzeuge. Bevor die Ladeklappen geöffnet werden habe ich das Gefühl vergast zu werden. Meine Maschine springt nicht an, die Batterie ist defekt. Anschieben……sch….
Quer durch Piräus und Athen lenken wir die Maschinen Richtung Norden. Meine Künste griechisch fluchen zu können sind nicht dazu angetan, die übrigen Verkehrsteilnehmer freundlich zu stimmen, Sprachkenntnisse sind also doch nicht immer hilfreich. Maroussi finden wir schnell, nach der Straße müssen wir etwas suchen und die Wiedersehensfreude mit Niki und Dimitri ist überaus groß!
Dienstagmorgens frühstücken wir gemeinsam, danach muss Niki zur Schule. Wir nutzen die Gelegenheit zum duschen, Wäsche waschen und für einen Bummel nach Kifissia. Mittags fahren wir mit Niki zum Strand und nach Marathonas zum gleichnamigen See. Auf der Rückfahrt durch die Berge wird mir speiübel. Ich glaube, ich bin wirklich schwanger. Ich erzähle meiner Freundin von meinem Verdacht, auch wenn sie zunächst völlig über-rascht ist freut sie sich sehr mit uns.

Am nächsten Tag fahren wir zu fünft am Meer entlang zum Cap Sounion an der südlichsten Spitze Attikas. Es ist eine sehr schöne Tour, mir wird nicht übel aber ich bin sehr müde. Natürlich steht die Besichtigung des antiken Marmortempels des Meeresgottes Poseidon, bzw. was davon übrig geblieben ist, auf dem Programm. Abends feiern wir Abschied, am nächsten Tag wird es wieder weiter gen Norden gehen. Wir beugen uns über Landkarten und suchen gemeinsam schöne Routen heraus. Unsere Freunde raten dazu, mit der Fähre von Athen nach Venedig oder einer anderen italienischen Stadt zu fahren. Die Balkankrise ist in allen Medien präsent. Die Wurzeln der Zwistigkeiten reichen bis ins Mittelalter, verwickelt sind Türken, Serben, Albaner, Kosovaren u. a. mehr (wie war das mit Verquickung von Religion und Staatsmacht und resultierenden Völkerwanderungen?). 1989 möchten die Albaner das Kosovo mit weitgehender Autonomie für sich von Serbien loslösen. Albanien ist zu der Zeit nicht passierbar, um den Kosovo sollten wir einen Bogen machen…. Wir bleiben bei unserem Plan, auf dem Landweg nach Venedig zu fahren.

Der Aufbruch steht an. Wir müssten packen, kommen aber nicht so richtig in die Gänge. Erst spät verlassen wir am 18. Mai Maroussi und fahren über Theben nach Delphi. In der Motorradkleidung ist es uns ohne Fahrtwind sehr heiß, der Besuch des Orakels fällt ent-sprechend kurz aus. Die weitere Streckenführung am Meer entlang Richtung Platanitis gefällt uns ausnahmsweise wenig und so fahren wir am nächsten Tag gleich weiter.

Freitag, 19. Mai, vier Wochen Urlaub sind vorbei und die 12. Etappe führt uns über Amphilochia nach Katafourko an eine Salzwasserbucht. Der Campingplatz ist sehr schön und das Wasser voller Tiere. Wir beobachten Fische, Einsiedlerkrebse, Strandkrabben und zahlreiche Delphine, die wir zuerst für Haie gehalten haben. Das Wochenende über genießen wir die Sonne und das Strandleben.

Montag heißt es wieder „arbeiten“, sprich Zelt abbauen, alles verstauen, die Maschinen beladen und fahren. In einem großen Bogen geht es ins Landesinnere nach Meteora. Wir nehmen uns Zeit und genießen die phantastische Landschaft. In Kalambaka finden wir einen Nobelcampingplatz mit tollem Schwimmbad, viel Marmor im Waschhaus, einzelnen Waschbecken auch für Kinder und ebensolche kleine WC.
Die berühmten Klöster, auf hohen Sandsteinfelsen gebaut, scheinen förmlich aus den Felsplateaus zuwachsen. Die aus dem 11. bis 14. Jahrhundert stammenden Welterbestätten sind bis heute noch teilweise bewohnt. Sarah und ich leihen uns rockähnliche Schürzen aus, für Männer sind lange Hosen Pflicht und eine Ausleihe nicht möglich, so bleibt Jürgen von der Besichtigungstour ausgeschlossen. Die Meteorafelsen zählen in Griechenland zu den beliebtesten Kletterzielen. Beim Abstieg von den Klöstern zieht eine Unwetterfront auf und bei den in den Felsen klebenden Kletterern beobachten wir Hektik.

Die höher gelegenen Klöster erreichen wir tags drauf mit den Bikes. Oben ankommen, belohnt uns eine phantastische Aussicht, die Klöster sind aber leider mittwochs zu. Wieder wird es im Tagesverlauf kälter, Nebel steigen auf, wir fahren zurück und werden vom Regen überrascht. Während wir Regenkleidung überziehen öffnet sich die Tür eines Wohnmobils und ein freundliches älteres Ehepaar lädt uns zum Tee ein. Wir machen Spiele, essen Kekse …. aber so lange wir auch warten, der Regen bleibt.

Auch der Aufbruch am 25. Mai zur 14. Etappe findet im Regen statt. In den Bergen steigt das Quecksilber nur auf 13 Grad Celsius. Vor lauter Nebel sehen wir die Hand vor Augen kaum, wie ist Griechenland bei diesem Wetter trostlos. Über Kozani fahren wir Richtung Niki über die Grenze nach Jugoslawien. Je weiter wir nach Norden kommen, umso besser wird das Wetter. Die Landschaft ist wunderschön, die Straßen leider weniger. In Titovo Uzice, heute eine serbische Kleinstadt, gehen wir ins Hotel, an eine Übernachtung auf einem Campingplatz ist nicht zu denken, sie sind entweder geschlossen oder für uns nicht erreichbar. Im Restaurant riecht es nach altem Fett, die Speisekarte ist üppig, nicht so das reale Angebot. Im Zimmer sind die Fenster kaputt, es zieht… Das Hotel ist sündhaft teuer und am nächsten Morgen müssen wir mit zwei EC-Schecks bezahlen, da man angeblich für einen nur noch den Gegenwert von 50$ erhält, das Zimmer kostet 70$!. So bleibt uns nur noch ein Scheck übrig, den brauchen wir aber in Italien, um den Campingplatz zu bezah-len. Das noch vorhandene Bargeld muss reichen für Benzin, Übernachtungen und Essen, das wird knapp!

Fünf Wochen Urlaub sind vorbei. Über Sarajevo und Mostar fahren wir nach Zaostrag. Zuvor bewundern wir noch das Wahrzeichen Mostars, die Brücke Stari Most, die über die Neretva führt und wenige Jahre später während des Krieges durch kroatische Streitkräfte zerstört werden wird. Wir genießen die einmaligen Landschaften und die steigenden Temperaturen und legen einen Strandtag ein.

Weiter gehts der Küste entlang, wir besichtigen Split, die historische Stadt mit den griechischen Wurzeln und machen bei Jurjewo an einem Campingplatz halt, den es nur noch auf der Landkarte gibt. Da keine Schranke die Einfahrt zum verwaisten Gelände versperrt, bauen wir unser Zelt auf und schon bald sind wir von Campern umgeben, die es uns gleichmachen. Mit einem Trick gibt es auch Frischwasser und die WC werden in die Büsche „definiert“. Den Vorteil, dass der Platz umsonst ist, nutzen wir direkt aus. Wir haben kaum noch Lebensmittelvorräte und Geschäfte im Ort waren bereits geschlossen und so beschließen wir im Restaurant gegenüber preiswert essen zu gehen. Sarah probiert meine Fischsuppe und es passiert: eine Fischgräte steckt im Hals, ich kann sie sehen, aber mit den angebotenen Pinzetten nicht erreichen. Der Sohn des Hauses bietet uns sofort an, uns kurz in die Stadt zum Arzt zu fahren. Aus dem kurzen Tripp in die Stadt wird allerdings eine Küstenstraßenrallye, die uns bis kurz vor Rijeka führen soll! Der Arzt in der Kleinstadt war leider nicht in der Lage, die Gräte zu entfernen, ein Umstand der zumindest mich zwischenzeitlich in leichte Panik versetzt. Im Krankenhaus angekommen fragt uns der Arzt zunächst nach unseren Krankenpapieren, als sie für in Ordnung befunden werden, sprüht er Sarah kurz mit Eisspray in den Mund und wenige Augenblicke später ist die Gräte draußen und wir sind entlassen. In halsbrecherischer Fahrt geht es wieder ca. 70 Km Küstenstraße  zurück! Während der Fahrt wird mir wieder übel, liegt es an der Kurvenfahrt? Um Mitternacht sind wir zurück im Restaurant, unser Essen wird wie selbstverständlich aufgewärmt und wir versuchen erneut mit größtem Bedauern zu erklären, dass wir die Fahrt nicht adäquat bezahlen können. Die freundlichen Leute wollen aber kein Geld, sie sind froh, dass unsere Tochter fit ist.
Am nächsten Morgen hat sich noch eine deutsche Familie auf dem Platz eingefunden, wir kommen ins Gespräch, der Mann ist HNO-Arzt! Völlig geschlaucht vom gestrigen Abend beschließen wir den Luxus der kostenlosen Unterkunft auszunutzen und einen Faulenzertag mit Lebensmittelerwerb bzw. am Strand zu verbringen.

Am 30. Mai starten wir zur 17. und letzten Motorradetappe. Über Rijeka und Triest erreichen wir schließlich wieder Chioggia. Die Campingleute freuen sich, uns wohlbehalten wiederzusehen. Wir berichten von den Erlebnissen, so gut das ohne Sprachkenntnisse in italienisch (bei uns) und französisch/englisch (bei den anderen) geht.
Vor dem endgültigen Aufbruch nach Hause fahren wir noch mit dem Schiff nach Venedig, leider regnet es und die Stadt wirkt düster und wenig einladend.

Mit den letzten Lira bzw. Groschen erreichen wir am 1. Juni die deutsche Grenze. Die Mägen sind ebenso leer wie die Tanks. Geld holen, tanken und einkaufen erscheinen uns nahezu überlebenswichtig. Der Besuch eines Cafés muss auch noch sein und wir schwelgen in Torten, Kaffee und Kakao.

Freitag 2. Juni, wir sind wieder zu Hause, reich an spannenden und schönen Erlebnissen aber auch ein wenig „urlaubsreif“. Die Heimfahrt war anstrengend, während der ersten Autokilometer musste ich mich ständig übergeben und so ist Jürgen fast die ganze Strecke alleine gefahren. Sarah, nach ihren Urlaubserlebnissen gefragt, antwortet: `Oma, das wichtigste im Leben ist Geld´. Na, ja, vielleicht doch nicht ganz. Am 23.12. wird Simon geboren! Heute ein recht begeisterter Motorradfahrer, am liebsten off road!  

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