Ostafrika
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Kurze Filme der Reiseroute (23.09.2025)
Die Reiseroute:

Aus besonderem Anlass verlinken wir hier zum Blogaufruf von Pfr. Gerhard Reuther
Dringend: Ersatz-Paten gesucht! – Urgent: Replacement sponsors needed! (Multilingual post)
Bremsdesaster aus Jürgens Sicht
Spotlight Ruanda
Reisezeit: 21.08.2025 – 18.09.2025
Gefahrene km: Ive 1022, Motorrad Jürgen/Marion 0
Nachtplätze: 11/12, davon 4/5 (Marion) kostenpflichtige Camps/Lodge, sonst irgendwo, teils gegen kleines Entgelt.
Internet: Abdeckung 4G gut, preiswert, Stabilität überraschend schlecht, oftmals nur mit VPN auch nur ansatzweise möglich.
Lebenshaltungskosten: Varianz nach Art und Ort des Einkaufs, ob erzeugernah und lokal oder ausländische Produkte; Gemüse- und Obst saisonal und regional verfügbar, Butare/Huye hat einen gigantisch großen, überdachten Frischmarkt, Supermärkte sind in großen Städten/Kigali verfügbar, Fleisch ok, Wein sehr teuer, Spirituosen preiswerter, gutes inländisches Bier.
Kraftstoffpreise: ca. 1,10 ct./l im Land überall gleich.
Verkehrssituation: Rechtsverkehr, gute Hauptstraßen mit extrem hohem LKW- und Busaufkommen, das Fahrrad ist wichtig(st)es Transport- und Fortbewegungsmittel; Nebenstraßen sind meist schlechte Pisten, oft zu schmal/steil/eng für den LKW.
Wetter: ausgesprochen angenehm, warm mit teils frischem Wind; manche Tage bleiben grau, die Regenzeit beginnt beim Aufenthalt. Tag- wie nachtaktive Mücken incl. Anopheles sehr rar.
Tourismus: Das sauberste Land das wir, jedenfalls in Afrika, bereisten, insbesondere die Hauptstadtregion. Stets geht es bergan und bergab, es ist üppig grün, überall blüht es; Heerscharen von Frauen kehren mit selbstgebundenen Besen Wege, Straßen, selbst das Land und vermitteln den Eindruck, Ruanda sei ein überdimensionaler Park. Wie es darunter aussieht? Weitaus weniger licht und rein.
Nationalparks mit Big 5, Schimpansen, faszinierendes Berggorillatrecking, teuer, doch jeden EUR wert. Überschaubares Angebot an Campsites, nicht immer mit LKW erreichbar, teils sehr idyllisch. Menschen erscheinen eher „gestresst“, als afrikanisch entspannt. Dies geht zulasten der Freundlichkeit. Viele Einwohner leben in Armut, doch Mittelstand bzw. Reichtum spielen eine Rolle im Staat. Polizeiposten sind zahlreich, seltenst hält man uns an; an jeder Ecke stehen modernste stationäre und mobile Geschwindigkeitskontrollen!
Fazit: Ein faszinierendes Land mit angenehmem Klima, hohem touristischem Potential, das dem Individualreisenden gegenüber teils offen ist. Für uns der Ort, wo Jürgens Patenkinder leb(t)en und hoffentlich ihren Weg gehen werden. Schwierig ist der Balanceakt auf dem schmalen Grad zwischen Give me! und aus der Hilfestellung heraus, die gebotene Chance zu nutzen. Die Welt erfahren, Ruanda leistete einen maßgeblichen Beitrag dazu. Danke an diejenigen, die uns dabei begleiteten!
Ruanda 21.08. – 18.09.2025
15.09. – 18.09.2025 Vom Hochgebirge in die Mittelgebirgslandschaft nach Kigali zu DHL, das Carnet in Empfang nehmen. Die Hälfte der Etappe ist geschafft, als ein metallisches Quietschen unsere Ohren malträtiert. Schnell ist klar, das sind wir. Rechts ran, ein Gang ums Auto, die rechte hintere Bremse ist deutlich wärmer als die anderen. Hier oben hilft niemand, alleine kann Jürgen nicht agieren. Was tun? Der Cheffahrer steuert den LKW 40 km bergab fast nur mit Motorbremse bis in die Hauptstadt. Ein Stressjob bei Gefälle von teils über 20 %. Die Symptome zwischendurch bestätigen, irgendwas stimmt nicht mit den Bremsen, verschlissene Beläge? Wir holen das Carnet und verziehen uns auf einen Kaffee zur Recherche nach einer LKW-Werkstatt. Einige Telefonate später hat Jürgen einen hilfsbereiten LKW-Händler am Apparat, der ihm die Honest Garage Ltd. ans Herz legt. Schnell gefunden, interessante Steillage am Hang hat die Werkstatt, chic für PKW; LKW müssen einen Lehmhang hinab, den wir bei aktueller Wetterlage kaum mehr aufwärts schaffen, denn es schüttet. Doch eins nach dem anderen. Trotz Regen analysiert die Crew den Schaden schnell. Eine Rückholfeder für die Bremsbeläge ist gebrochen. Eine neue muss her. Morgen! Wir übernachten vor Ort, wie, wo auch sonst und beobachten aus erster Reihe, wie die Mannschaft mit ihren PKW den Schlammhang in den Feierabend zu erklimmen versucht. Viele Anläufe, fast rauf, wieder runter – geht besser; einer knallt bergauf gegen die geschlossene Seite des Doppeltores, keiner regt sich auf… rückwärts gehts, manchmal …
Tatsächlich findet sich am anderen Tag ein fast passendes Ersatzteil, der Rest wird passend gemacht und schnell ist es eingebaut. Jürgen hat zwischenzeitlich die Schäden, die der Federbruch verursachte, weitestgehend beseitigt. Die Nacht blieb trocken, die Sonne scheint und problemlos steuert Jürgen Ive bergan durch beide geöffneten Torseiten auf die Straße. Er bringt mich zu Seeing hands zur Massage. Eine Tiefenmasssage wähle ich. Vom Scheitel bis zur Sohle, in die Tiefen der Verspannungen hinein, die blinde Mbabazi walkt mich durch, mehr als eine Stunde, für kleines Geld. Noch am anderen Tag werde ich Muskelkater haben. Weilt ihr in Kigali, besucht die Einrichtung, eine tolle Erfahrung.
Unsere letzte Station in der Hauptstadt ist das Kunstmuseum, gebaut in den 1970er Jahren, das bis in die 1990er Jahre Wohnsitz für den Präsidenten Juvénal Habyarimana war. Er stürzte quasi im eigenen Garten ab, als sein Flugzeug im Landeanflug auf den Hauptstadtflughafen am 6. April 1994 von zwei Raketen abgeschossen wurde. Insgesamt zwölf Insassen, darunter auch der Präsident Burundis, kamen ums Leben. Das Attentat löste letztlich den Völkermord aus. Die Überreste des Flugzeugs liegen verstreut im Museumsgarten, fotografieren ist verboten.
Grenzerfahrungen stehen an. Ich fasse mich kurz: Etwa 24 Stunden sind vonnöten, um von Kigali nach Rusumo und über die Grenze zu kommen: ca. 140 km bis zur ruandischen Seite, dort die Betas aus dem Warenlager auslösen, aufladen, und die restlichen ca. fünf Kilometer zum Borderstop auf tansanischer Seite mit Ausreise und Einreise fahren. Wir übernachten am Grenzposten, denn nach weiteren Formalitäten steht uns spät abends nicht mehr der Sinn. Vorteil: Am nächsten Morgen rollen wir bereits gegen 11:00 Uhr, eine Stunde frisst die Zeitumstellung, über die grausam schlechte Piste Tansanias. 80 km im Fußgängertempo.
12.09. – 15.09.2025 Es ist soweit, Jürgens fulminantes Geburtstagsgeschenk zu genießen. James holt mich zur Mountain Gorilla View Lodge mit Blick auf Mount Sabyinyo bei Kinigi ab. Als Teil der Virunga Berge im Dreiländereck Ruanda, Uganda, DRKongo liegt unweit der ruandische Volcanoes National Park. Unterwegs befindet sich das Dian Fossey Museum, korrekt Ellen DeGeneres Campus of the Dian Fossey Gorilla Fund. James schlägt einen Besuch vor; informativ, interaktiv, eine gelungene Einstimmung auf die kommenden Ereignisse. Die heimelige Unterkunft – abends liegt eine Wärmflasche im Bett, Feuer im Kamin, bestes Essen, aufmerksames Personal – ist eingebettet in wunderbare Berglandschaft. Die Organisation seitens des Veranstalters ist von Beginn an ausgezeichnet. Insbesondere Tourguide Francis, der am ersten Tag die Führung zu den Gorillas leitet, ist herausragend. Aufmerksam, rücksichtsvoll, kundig bringt er seine acht Touristen, unterstützt von fünf Trägern über die Höhen zum Parkeingang. Hier ergänzt eine Rangerin die Gruppe. Sie bietet Schutz vor möglichen Begegnungen mit Büffeln und Waldelefanten. Francis steht stets mit den Spurensuchern in Kontakt, die unsere Gorillafamilie bereits gesichtet haben. Schnell sind wir am Treffpunkt. Rücksäcke, Stöcke und Träger bleiben zurück. Mit Francis, der Rangerin und drei Spurensuchern schlagen wir uns durch dichten Urwald. Buchstäblich, denn ohne Einsatz von Macheten blieben uns die Menschenaffen im dichten Bewuchs verborgen. Über Buschwerk stolpernd, Lianen, wie Fußangeln fesselnd, von Brennnesseln gepiesackt … plötzlich hocken die Familienmitglieder über uns. Faszination, Ehrfurcht, staunen. Nach den Schimpansen sind Gorillas mit mehr als 98 % Genomübereinstimmung unsere nächsten Verwandten. Keine zwei Prozent trennen uns, augenscheinlich so viel. Die Familie ist an Besuch gewöhnt. Friedfertig gehen sie ihren Beschäftigungen nach, meistens nichts tun und fressen, sie beobachten uns neugierig, der gigantische Silberrücken von seinem „Hochsitz“ aus. Sogar die Gorillamama mit ihrem Neugeborenen, zwei Wochen alt, begegnet uns entspannt. Als mir ein Gorillateenager, der wohl zu relaxt in seiner Astgabel ruht, vor die Füße fällt, ist weniger er als Francis alarmiert, denn der Jungspund verschwindet schnell im Dickicht. Ein anderes Wesen, Tier möchte ich es nicht nennen, bricht gleich mit dem halben Busch zu Boden, sind halt schwer die Primaten. Eine Stunde dürfen wir bleiben, schauen, fotografieren, genießen, bewundern, still sein, dann endet die Audienz und die Familie ist bis zum folgenden Tag wieder sich selber überlassen.
Knapp sechs Stunden nach dem Aufbruch bin ich wieder in der Lodge. Frage mich, woran es liegt, dass die Friedfertigkeit auf dem Weg zum Homo sapiens sapiens augenscheinlich auf der Strecke blieb. Von weiteren philosophischen Überlegungen lasse ich mich gerne durch eine kulturelle Aufführung ablenken.
Tags drauf ist der Weg zu den Golden Monkeys über Lavageröllwege und später durch dichten, matschigen Bambuswald eher beschwerlich. Die putzigen, quirligen Tiere sind wie die Berggorillas vom Aussterben bedroht. Sie wuseln überall herum, springen über uns von Ast zu Ast, am Boden bewegen sie sich ohne Scheu durch unsere Gruppe, eines läuft zwischen meinen Füßen hindurch. Nur nie auf den langen Schwanz treten, war die Devise, denn dann gibt es Bisswunden.
Am Parkplatz nimmt mich James in Empfang und bringt mich wieder zurück nach Nkotsi. Viel erzählen, Pizza aus dem Holzofen, dazu süffiger Roter, eine Reisegruppe steht auf dem Platz, Austausch von Reiseerlebnissen mit den Damen aus Essen und St. Vith. Ein traumhaftes Wochenende geht zu Ende.
Montagmorgen fahren wir aus der hohen Bergwelt hinab nach Kigali. Wie stressig die Tour wird, wie hart die Landung, davon demnächst.
07.09. – 11.09.2025 Vom Berg abwärts in die Metropole Kigali, Besuche stehen auf dem Programm. Neugier lässt uns das filmberühmte Hotel Ruanda, richtiger Name Hôtel des Mille Collines, besuchen. Hotelmanager Paul Rusesabagina sowie Bedienstete bewahrten 1994 hier knapp 1300 Menschen, darunter viele Kinder, vor dem Tod. Über die verschiedenen Darstellungen zur Person Rusesabaginas erlaube ich mir mangels Kenntnis kein Urteil.
Das Genocide Memorial der Hauptstadt besuchen wir auf Laurettes Anraten. Eine Oase des Friedens inmitten des großen Parks mit Rosengarten und Springbrunnen umgibt uns, vereinzelt liegen Kränze auf den Massengräbern … Museum nebst Museum Café zeigen Aktivitäten sowie Darstellungen zum Themenkomplex Bewältigung/Vergebung/Frieden. Ich sehe die Anstrengungen, doch der Funke Hoffnung springt nicht recht über, sollen Andere zu Wort kommen. Thank you for saving my life … and the lives of the people I was going to kill in revenge. So ein Student bei einem Workshop zur Friedenserziehung. I went home from the training with two duties; to forgive the killers of my family, and to teach my students critical thinking. Albert Rutikanga, Überlebender und Aktiver im Friedenstraining Ruandas.
Höhen und Tiefen, ohne dies führt kein Weg durch Ruanda und seine Hauptstadt. In einem kleinen, familiengeführten Gasthaus finden wir ein Refugium der Ruhe, nicht chic, sondern eher authentisch für den Großteil der Bevölkerung. Riesige Tassen Cappuccini, frisches, warmes Nan mit Schokoladensauce, wir sind entzückt, auch vom kleinen Geld. Hierher verirrt sich wohl kaum ein Tourist. Nettes Trinkgeld – Zufriedenheit beiderseits.
Nahebei liegt Seeing Hands, wo Jürgens einstige Patentochter Joseline angestellt, bzw. im Training physiotherapeutischer Heilverfahren ist. Gar nicht nebenbei bietet die Einrichtung blinden bzw. sehbehinderten Menschen ein soziales Umfeld und persönliche Entfaltungsmöglichkeit. Spontan schauen wir Sonntagnachmittag vorbei. Es ist immer jemand in der Praxis, auch Kunden. Die Gründerin Beth Gatonye wird kontaktiert. Wir sind fasziniert, wie Blinde mit Handys und Smartphones umgehen, und gerne kommt Beth vorbei. So erfahren wir einiges über ihre Einrichtung, von Vermittlungserfolgen ihrer Schützlinge auch an namhafte Arbeitgeber, aber ebenso über Herausforderungen, wenn sich jemand distanziert, sich kaum in die Gruppe einbringt und Schulungsanstrengungen eher geringe Priorität einräumt. Das fällt negativ auf das Ansehen der Gemeinschaft zurück, und die steht bei Seeing Hands im Vordergrund. Manche Ehemalige fühlen sich nach dem Ausscheiden weiter mit dem Zentrum verbunden, engagieren sich ehrenamtlich.
Beeindruckt vom Erlebten eilen wir zum nächsten Besuch. Die Gründerin und Vorsitzende des Vereins 1000 Hügel e.V. Janine Frönd und Tochter Hanna warten im Restaurant auf einer der Höhen Kigalis. Seit Jahren ist Janine ehrenamtlich höchst engagiert und oft im Land, uns bringt sie wichtige Kleinigkeiten aus Deutschland mit. Herzlich Danke für den Botendienst und Gerhard für die Vermittlung! Viel zu schnell verfliegt die Zeit, noch ein Blick auf unseren großen Wagen, auf die Mondfinsternis, die sich bereits in Auflösung befindet, ein erlebnisreicher Tag neigt sich dem Ende zu.
Vom Osten kommend, Richtung Süden und Westen reisend, wenden wir uns nun nordwärts den hohen Bergen Ruandas zu, Schutzraum für die vom Aussterben bedrohten Berggorillas. Zu Füßen liegt in Nkotsi das Red Rocks Cultural Center mit kleiner Ausstellung, Kunsthandwerkladen, tented Camp und Stellplatz inmitten von Grün. Auf dem schönen Platz ist das Willkommen herzlich, ein Ginger-Sugarcane-Lemon Drink, geröstete Erdnüsse … Und bei den Darbietungen für Touristengruppen sitzen wir in der ersten Reihe. Authentizität, Stolz, Freude, gelebte Traditionen: Kultur ist das Gedächtnis des Volkes, das Bewusstsein seiner Kontinuität, die Art und Weise, wie es denkt und lebt. Václav Havel.
Zwischendrin ganz profan: Das neue Carnet für Ive liegt abholbereit bei DHL in Kigali. Danke an den ADAC, der das wiederholt sehr professionell organisierte!
Morgen trennen sich unsere Wege in Ruanda vorübergehend. Jürgen bleibt in Nkotsi und ich begebe mich an die Hänge des Mount Sabyinyo zur Mountain Gorilla View Lodge. Von hier aus startet in kleiner Gruppe das Trecking durch den Volcanoes National Park, zum Besuch einer Berggorillafamilie. Ich bin total gespannt, aufgeregt. Das Buch Gorillas im Nebel der Primatenforscherin Dian Fossey machte die Situation der bedrohten Tiere weltbekannt. Bezahlt hat die unbequeme Dame ihr Engagement für die Tiere und i.w.S. gegen den Tourismus mit gewaltsamem Tod. Sie ruht in den Bergen Ruandas. Gräber sah ich genug, mich ziehen die nahen Verwandten an.
Doch zuvor pflanzen wir im Kulturzentrum noch Bäume, mögen sie wachsen und gedeihen. Hernach warten Pizza aus dem Holzofen bzw. Gakondo, ein traditionelles Gemüsegericht, auf uns. Einzig auf die tropischen Regengüsse der letzten beiden Tage könnten wir verzichten.
31.08. – 06.09.2025 Gulf of Nyabidahe, wandern; entspannen an der Bethany Camp-Lodge der Presbyter Diözese. Gelegenheit, erneut etwas über Ruanda zu berichten, ein Überblick: Binnen(hoch)land mit anspruchsvoller Geografie, Land der 1000 Hügel (völlig untertrieben), Hauptwasserscheide zwischen Kongo und Nil, der Kivusee ist Teil des ostafrikanischen Grabenbruchs und entsprechend tief; im Dreiländereck mit DRKongo und Uganda erheben sich die bis 4500 Meter hohen Virunga-Vulkane.
Königreich vom 15. bis 20. Jhdt., 1894 – 1916 mit Burundi und Tansania Teil von Deutsch-Ostafrika, unabhängig seit 1962; während der 50er Jahre Vertreibungs-/Ermordungswellen von Tutsi, der Bürgerkrieg 1990 – 1994 endete 1994 im/mit dem Genozid.
Inflation und Wachstum halten sich im Mittel die Waage. Exportrate beträgt ca. ¼ der Importe. Bergbau (Mineralien, seltene Erden), Tourismus (Nationalparks u. a. mit Big 5, Berggorillatrecking, Schimpansenbeobachtung entlang von Baumpfaden), Kaffee, Tee sind Haupteinnahmequellen. Kaffee, als Strauch 1904 von einem deutschen Missionar eingeführt, ist heute ein Exportschlager, oft in Form kleiner Kooperativen unter weiblicher Leitung/Organisation. Wirtschaftsbeziehungen bestehen mit dem Westen, Russland und China. 14 Mio. Einwohner > 90% Christen; hoher Frauenanteil in qualifizierter Stellung/Entscheidungsfunktion; 3,7 Kinder/Frau, Säuglings- und Kindersterblichkeit ca. 3,8 %, Lebenserwartung rund 68 Jahre; Anteil gesetzlich Krankenversicherter (wenige EUR/Person/Jahr) liegt um 90 %. Niedrige Analphabetenrate, die sechsjährige gebührenfreie Primary school ist Pflicht, die dreijährige Secondary school ist gebührenpflichtig und berechtigt je nach Abschlussnote zum Besuch der Hochschule oder zur (qualifizierten) Berufsausbildung. Wenige Ruander haben feste, dauerhafte Arbeitsplätze mit geregeltem Lohneinkommen, das Gros ist informeller Natur. Erschweren umfassende bürokratische Auflagen und ein rigides Steuersystem start-up-Entwicklungen?
Ruanda hat Energieprobleme. Biomasse ist die dominierende Energiequelle. Solar/Wind/Wasser sind für Wirtschaftsunternehmen zu wenig betriebssicher, finden Einsatz eher in schwer zugänglichen ländlichen Gegenden. Erdgas wird im Kivusee gewonnen. Lösungsbaustein könnte ein neuartiger Dual-Fluid-Reaktor werden, ein Testreaktor soll 2026 in Betrieb gehen. 2023 wurde ein entsprechender Vertrag mit einem kanadisch-deutschen Unternehmen zum Bau abgeschlossen. Damit wäre in Ruanda ein Vorreiter dieser deutschen Technologieentwicklung angesiedelt. Eine Innovation besteht darin, hochradioaktive Abfälle zu nutzten und so die Halbwertszeit radioaktiven Abfalls deutlich zu reduzieren. Sollte der Demonstrator erfolgreich sein, wäre nicht nur Ruanda der Lösung der Energiekrise einen Schritt näher, vielleicht könnte ja Deutschland dann in einigen Jahren sogar Entwicklungshilfe von Ruanda einwerben.
Westlich von Kigali liegt der gleichnamige Hausberg, tief unter uns, oft verborgen durch Wald, das abendliche Lichtspiel der Millionenstadt. Tagsüber ist die Gegend um die gut besuchte Freizeitattraktion herum von Kindern der umliegenden Kleinsiedlungen belagert. Im Befehlston kommt die Forderung Give me money, die einzigen Vokabeln einer der offiziellen Amtssprachen im Land, die ihnen geläufig scheinen. Selten ist die schüchterne Variante, die für Fotos phantasievoller Kunstwerke/Spielzeuge nichts abverlangt, jedoch nicht leer ausgeht.
27.08. – 30.08.2025 Die Sommerferien enden, das neue Schuljahr steht an. In Kigali beim St. Paul Center lädt der 1WeltKreis zum Treffen der Erziehungsberechtigten der Kinder ein, die am Bildungspatenschaftsprojekt teilnehmen. Dank Laurettes Fürsprache parkt unser LKW direkt am Konferenzraum gegenüber der Kapelle. Nebenbei bemerkt ist die City fußläufig erreichbar. Das nutzen wir aus: Nussecken, Käsekuchen, Cappuccini, Abendessen im La Galette. Doch nun zum eigentlichen Anlass, dem Elterntreffen. Thema ist vornehmlich die schulische Entwicklung der Kinder. Laurette kennt sowohl sie als auch ihre Lebensumstände und informiert die Eltern aus ihrer Sicht über Entwicklungspotential, Fort- aber auch Rückschritte. Kinder sind hier so wie daheim. Lernen fällt nicht jedem in den Schoß. Doch auch nicht jedes ist ausreichend bemüht, hier führt das möglicherweise zum Projektausschluss. Das Potential, das in einem steckt, muss jeder einerseits realisieren und akzeptieren. Andererseits ist es ab und an gut, seine Grenzen zu erfahren, nur dann gelingt es, zu wachsen. Die Eltern sind gefordert, dies zu erkennen, zu begleiten, denn Ziele sind wichtig, doch unrealistische Anforderungen führen zu unglücklichen Menschen. Von nichts kommt nichts, dies können weder Laurette, die es mantraartig zu beten scheint, noch wir ändern. In großer Runde berichten die Eltern von Herausforderungen, Ängsten, ja aber… scheinen wir zu hören, obgleich uns Kinyarwanda unverständlich ist. Rat und Hilfe einfordern, tu doch was, hängen im Raum.
Beim Abschlussbuffet tauschen sich die Eltern untereinander aus, geteiltes Leid ist halbes Leid, es tut gut, zu erleben, dass auch andere kämpfen. Etwa 1/3 der Geladenen kommt. Wenig? Also, Jürgen und ich saßen zur Schulzeit unseres Sohnes einmal abends alleine beim Elterntreff! Das Treffen hier findet an einem normalen Werktag von ca. 10:00 – 16:00 Uhr statt. Diejenigen, die weiter weg wohnen, sind/wären viele Stunden unterwegs. Auch wenn Ruanda klein ist, der Verkehr ist dicht, die Straßen sind eng und steil, Busverbindungen in die entlegenen Regionen weniger üppig und kosten Geld. Den Anwesenden scheint das Treffen wichtig zu sein, das zeigen sie nicht nur durch ihre aufwendige Kleidung. Last but not least soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Eltern so überwältigt sind ob der langjährigen, intensiven Unterstützung der Kinder, die Jürgen bei seiner Vorstellung kurz darlegt, dass sie spontan beschließen, Geschenke für uns zu besorgen. Wir sind überwältigt, murakoze cyane!
Gerhard Reuther berichtet auf dem 1WeltKreis Blog auch in englisch! Spökert auch mal dort herum!
Wir machen am Kivusee, am Gulf of Nyabidahe, einige Tage Urlaub, Sommerpause!
21.08. – 26.08.2025 Fix gehen Aus- und Einreise, Geldwechseln bei der Bank ist günstiger als auf der Straße; trotzdem verbringen wir etwa fünf Stunden am Grenzposten. Nein, es gefällt uns nicht besonders gut in Rusumo. Die Betas machen Probleme. Ohne Nummernschild, sprich Zulassung, Steuer, Versicherung keine Einreise. Man verweist auf die Informationen vom Auswärtigen Amt. Aha! Das AA schreibt u.a.: … Die Einfuhr von Waffen, Drogen und pornographischem Material aller Art ist nicht erlaubt. Gleiches gilt für Plastikverpackungen und –tüten. Zuwiderhandlungen können mit Geld- und Haftstrafen geahndet werden. Gegenstände des persönlichen Bedarfs (Sportausrüstungen, elektronische Geräte, Kameras, Laptops u.ä.) können zollfrei eingeführt werden, sollten bei der Einreise aber deklariert werden. …Die Einfuhr von Drohnen und E-Zigaretten ist nicht erlaubt… Wir erklären, es seien Sportgeräte, Crosser, Trailbikes … schlagen vor, die Plane zu versiegeln! Nein, wir könnten die Siegel aufbrechen. Die Betas müssen von der Bühne, verharren nun im Warenlager für Verbotenes für ca. fünf EUR während unseres Aufenthaltes. It´s the rule, das kann ich so gar nicht ab. Zu jeder Regel gibt es Ermessensspielraum, Ausnahmen …sie sind nicht wie die 10 Gebote in Stein gemeißelt, sondern Mensch gemacht und somit ständiger Veränderung unterworfen.
Abhaken, wir sind in Ruanda. Nach dem südlichsten Punkt Afrikas haben wir unser zweites großes Etappenziel des Afrikaabenteuers erreicht – und verstehen die Welt um uns herum nicht ganz. Natürlich, Afrika ist ein Kontinent und jedes Land ist anders, aber Ruanda ganz besonders. Auf den ersten Blick erscheint es wohlhabend, strukturiert aber auch hektisch, aufgeräumt und sauber, extrem sauber! Leichtigkeit und Lebensfreunde suchen wir. Mit weggefegt? Haben wir den Blick dafür an der Grenze verloren? Ruanda ist eine der am schnellsten wachsenden Wirtschaftsnationen. Sie soll zudem afrikanisches Vorzeigeland in Sachen Umweltschutz werden, u. a. mit Plastiktütenpolizei und staatlich verordnetem Putzen von Städten und Dörfern jeden vierten Samstag im Monat. Paul Kagame regiert das Land seit gut 25 Jahren mit harter Hand, die kaum Raum für Kritik, Andersdenkende, Opposition zulässt; Autokrat nennt ihn die Weltpolitik, Demokratieindex Weltrang Platz 114 von 167, Spitzenposition Norwegen, Schlusslicht Afghanistan; Pressefreiheit 146 von 180; Spitzenposition Norwegen, Schlusslicht Eritrea.
Gibt die Entwicklung des kleinen Staates Kagame Recht? Macht es Angesichts des scheinbaren Reichtums Sinn, weiterhin kleine Entwicklungshilfeprojekte zu unterstützen, schaffen sie evtl. ungewollte Abhängigkeit? Wir lesen, hören, lernen: Über 60 % der Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze, davon 20 % in sog. absoluter Armut. Das Bruttoinlandsprodukt steigt in den letzten Jahren, doch nimmt Armut im selben Zeitraum zu. Der Tagesdurchschnittsverdienst beträgt ca. zwei US$. In Kigali kosten Ananas, Mango, Blumenkohl ca. 1,00 €/Stück. Gezwungenermaßen sind die Ruander landwirtschaftliche Selbstversorger. Zudem kann die Nahrungsmittelproduktion im Staat den Bedarf nicht decken, so dass es regional und saisonal oft zu Hungersnöten und chronischer Unterernährung kommt.
Wachstumsmotor scheint ein Bauboom vor allem in der Hauptstadt sowie Nationalparks (Gebäude von Versicherungen, Geschäftsleuten, Hotelketten, Lodges) zu sein. Weniger sichtbar ist, dass (noch) nicht alle Haushalte Abwasserleitungen besitzen. Viele sind trotz Ausbau weiterhin auf dezentrale Abwassersysteme (Komposttoiletten/Sickergruben) angewiesen, problematisch in der Großstadt und in einem Staat mit einer der höchsten Siedlungsdichten weltweit. Weitere wirtschaftsfördernde Großprojekte betreffen den Straßenbau. Doch bei allem Boom ist im Land der 1000 Hügel nicht die Hälfte der Hauptverkehrsstraßen mit einer Gesamtlänge von rund 2750 Kilometern asphaltiert. Dabei ist das Straßennetz Ruandas im afrikanischen Vergleich gut. Straßen verbinden, doch was nutzt es, wenn das kleine Binnenland schnell an seine Grenzen stößt, welche Ex- wie Importe durch katastrophale Straßen sowie politische Inkompatibilitäten erschweren?
In Kigali gibt es keine Campsites mehr! Wohin? Wir parken in der Hauptstadt am Straßenrand zwischen LKW, um SIM-Karte und im Supermarkt lang vermisste „Leckereien“ zu kaufen. Ein klein wenig Schlaraffenland vom Heimatkontinent: Vollkornbrot mit Saaten, Croissant, Schweinekotelett, Leberkäse, Leffe …
Weiter südwärts, denn in Huye, kurz vor der Grenze zu Burundi, sind wir mit Laurette M. verabredet. Die Vorsitzende des Vereins Amizero Y’Ubuzima für mental schwache, behinderte Kinder und Jugendliche betreut auch das Bildungspatenschaftsprogramm im Rahmen des 1WeltKreises Ruhla, dem auch Jürgens Patenkinder angehör(t)en (mehr) Nun lernen wir Laurette, einen Teil ihrer Familie und die Patenmädels Kezia und Divine persönlich kennen. Chapeau, die beiden jungen Teenager kommen mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus dem Nordwesten bzw. Nordosten Ruandas ins Schulzentrum angereist. Mehr als 12 Stunden dauert eine ca. 300 km lange Fahrt, die sie auf sich nehmen, um uns zu treffen. Beide gehen auf die Secondary School, deren Besuch Geld kostet. Geld, das ihre Familien nicht haben! Insbesondere mit der älteren Kezia ist mittels ihres Lieblingsfaches Geografie schnell eine gemeinsame Gesprächsbasis gefunden. So sitzen wir am LKW, schauen den Ausschnitt der Weltkarte, die Fotos in unserem Buch. Kezia bindet Divine ein, übersetzt, erklärt, da die Englischkenntnisse der jüngeren noch begrenzt sind. Die Mädchen sind sprachlos, dass es augenscheinlich nicht nur in Afrika weitverbreitete Armut gibt, dass Menschen auch sonst auf der Welt in Höhlen wohn(t)en und vor Krieg geflohen sind. Stunden sitzen wir zusammen, erzählen gegenseitig aus unseren Leben, von Herausforderungen, Ängsten und Träumen. Kezia möchte die Phillipinen besuchen, da auch dort die Menschen arm sein sollen! Divine träumt davon, Polizistin zu werden. Sie möchte die Schwachen beschützen, Schutz der ihr selber zu wenig gewährt wurde? Sonntagmorgen staunen sie noch darüber, wie beengt und doch auch wohnlich unser Heim ist, erkennen, dass in unserem Leben Wasser, Nahrungsbeschaffung, saubere Wäsche und Administration Herausforderungen sind, wenn auch nicht auf so existentiellem Niveau wie in ihrem Alltag. Umarmungen, gute Wünsche, Abreise. Ohne Mobiltelefon geschweige denn Smartphone unterwegs, werden die Teenager erst gegen Mitternacht ihre Heimatdörfer erreichen. Klar ist, sie brauchen Hilfe, um ihre Ziele zu erreichen, denn: Viele kleine Leute, die an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern. Afrikanisches Sprichwort
Die furchtbaren Bilder, die Überlebende des Genozids, der von April bis Juli 1994 dauerte und dem ca. 1 Mio. Menschen zum Opfer fielen, heraufbeschwören, und die, die wir im Murambi Genocide Memorial (UNESCO gelistet) sehen, verarbeiten wir eher still. Endlos, Namenreihen, gemeißelt in Stein. Etwa 50.000 Menschen, in Murambi getötet, in Massengräbern verscharrt; geborgen und umgebettet. Wir können und wollen nicht die zahllosen konservierten Leichen auch von Kindern zeigen, aufgebahrt in vielen Totenhäusern, in verzerrter Haltung, mit zertrümmerten Schädeln, sie nicht in die Öffentlichkeit zerren. Abschreckung? 1994 schaute die Welt weg, schaute zu, machte mit. USA, Belgien, Frankreich, katholische Kirche, UN… Was nutzt es, die unzähligen Genozide, Massenmorde aus weltweiter Vergangenheit aufzuzeigen, daran zu erinnern? Die Gegenwart ist dabei, kriegs- statt friedenstüchtig zu werden. In Murambi bei Huye kommen wir an unsere emotionalen Grenzen.
Nördlich liegen bei Nyanza die Paläste bzw. das Mausoleum der letzten Könige von Ruanda, Mutara III (November 1931 – Juli 1959) und Kigeri V (Juli 1959 – Januar 1961) sowie Königin Rosalie Gicanda, Ehefrau von Mutara III. Mit jeder Eintrittskarte ist der Erwerb einer Führung verbunden. Obit erklärt viel, manches hätten wir ohne ihn übersehen. In jedem Fall die wunderbaren Watussirinder, Inyambo, deren Hörner bis zu zwei Meter werden. Sie sind in Ostafrika ein Zeichen von Prestige und Reichtum, hier wurden sie für den König und seine Familie gehalten, jetzt sind sie Bestandteil des Museums.
Übermorgen ist Elternsprechtag in Kigali, wir planen, teilzunehmen.
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