Südliches Afrika
Teil 1:
Namibia > Sambia > Simbabwe > Botsuana > Südafrika > Namibia (D 09.12.24-10.01.25)
Kurze Filme der Reiseroute (26.09.2024)
Die Reiseroute:
Südafrika 30.09. – 14.11.2024
12.11.2024 – 14.11.2024 Während sich deutsche Politiker mit Fehlern der lange zurückliegenden Vergangenheit beschäftigen sowie zu wissen meinen, wie sie die Erde für die Zukunft retten können und darüber der Gegenwart den Lebens-Strom ausschalten, beschäftigen sich afrikanische Stämme und Ethnien in verschiedenen Regionen intensiv mit der Harmonie dieses Dreiklangs. Wie im Museum des Kgalagadi Transfrontier National Park bei Two Rivers, wo der interessierte Tourist auf anschauliche, einprägsame Art und Weise erfährt, wie auch unsere Vorfahren lebten, als sie noch in der Wiege der Menschheit lagen und wie verschiedene Entwicklungslinien im Gefüge der Zeit verliefen. Hauptaspekte: Nachhaltigkeit, nimm nur soviel wie du brauchst, damit auch ein Morgen gelebt werden kann. Brauchtumspflege, gedenke durch Sprache, Riten, Traditionen deiner Wurzeln. Leider kommt auch ein dritter Aspekt hinzu: Kampf: Der Mensch ist für den Menschen das gefährlichste Raub-Tier. Das Bemühen der #Khomani um den Erhalt ihrer Identität belohnte die UNESCO mit dem Welterbestatus. Mehr erzählen einige wenige Bilder aus dem Museum. Auch darüber, dass Ausbeutung stets mindestens zwei Seiten braucht und Entwicklungshilfe oftmals als Schulmeisterei verläuft . Verzeiht, momentan bin ich langer Ausführungen müde, am letzten Tag in Südafrika beim Erdmännchen Sanctuary an den Kalahari Trails.
Ablenkung, Kurzweil bietet der Abend mit zwei Paaren aus NRW, gemeinsam auf Urlaub im Dreiländereck. Dank ihnen sind die Sozialkontaktbatterien wieder geladen.
Ja, es ist an der Zeit, Danke zu sagen: an Jürgen, der mich fast 220 km durch den Park fuhr, während wir uns vergebens die Augen nach großen Wildkatzen ausschauten. Fazit: Hunderte Antilopen verschiedenster Arten, eine große Gruppe Giraffen, neun Tiere! Kleinzeugs. Danke Jürgen, dass du nicht nur mein Hobby, das Bloggen, finanzierst, sondern auch administrierst, sowie Videos und deine Sicht beisteuerst, für mich und somit auch für euch. Thank you Harold, giving names to the birds on my fotos. Danke an euch für euere Teilhabe!
Lasst euch zum Schluss von Gerhard Reuther mitnehmen in den Advent, der Kalender eine wunderbare Tradition.
05.11. – 11.11.2024 Die Karoo ist eine Halbwüstenlandschaft, die im südlichen Namibia beginnt und sich durch den Süden Südafrikas fast bis zum Indischen Ozean ausdehnt. Vielfältig ist sie, flache weite Ebenen mit Hügeln und Bergen am fernen Horizont; sanft das Hügelland, karg die Berggipfel, schroffe Felsen. Der feuchteste Oktober seit Jahrzehnten beschert uns den Anblick einer blühenden, grünen Region. Kilometerlange Zäune begrenzen derzeit üppiges Weideland, welches vornehmlich Schafen und Straußen als Nahrungsquelle dient. In Sutherland, Kleinstädtchen mit schöner Kirche, parken wir zur Mittagsrast und entdecken, das wir am Planetarium mit Teleskopstation stehen und abends Starglazing, Sterne gucken, geboten wird. Faszinierend, der Blick in uralte Vergangenheit. Die Geburt neuer Sterne schauen, abertausende Sterne der Magellanwolken und die Ringe des Saturn `live` betrachten. Und ein Handyfoto vom Mond gibt es obendrein. Saubere Luft und geringe Lichtverschmutzung ermöglichen das Spektakel vielerorts in der Region, wie nahebei das South African Large Teleskop. Zurück zu Ive schaltet Jürgen die Heizung ein, uns ist eiskalt, trotz der Leihdecken.
Die Karoo Highlands Route geleitet uns 100e km nordwärts durch teils eintönige, meist jedoch spektakuläre Landschaft. Auf dem Gelände einer Schaffarm entlang der R361 finden wir freundliche Aufnahme zur Nacht. Es wird wärmer. Lange blieb das Thermometer nachts knapp einstellig, tags blies oft eiskalter Wind. Arktisches Wetter, heißt es hier. Doch so steil nach oben müssen die Temperaturen nun auch nicht schießen. Bei den Augrabies Falls, unweit der Grenzen zu Namibia und Botsuana, herrschen abends noch 35° C. Der Oranje River, aus den Drakensbergen unterwegs zum Atlantik, teilt sich hier in verschiedene Arme auf, bildet Becken und stürzt 56 m in die Tiefe, um danach den Weg in einer 18 km langen Schlucht fortzusetzen. Aufgrund der heftigen Regenfälle in den Bergen hatten wir viel mehr Wasser erwartet. Ist es in den (Wein-) Feldern versickert?
Jürgen schmiert Ive ab, ich gehe auf Fotospaziergang, fast 40° C. Lange sitzen wir abends draußen. Der Samstag ist kühler, der Dassie Trail (Klippschliefer Wanderweg) nur 6,5 km lang. Wir sind für unsere Verhältnisse früh dran, nicht mal 10:00 Uhr. Also auf, gegen 12:00 Uhr sollten wir zurück sein. Natürlich nehmen wir nichts zu trinken mit, das müssten wir ja schleppen. Kurze Hosen, Top bzw. T-Shirt, mit bedecktem Kopf und Turnschuhen an den Füßen ziehen wir ´full dressed´ los. Nach einer Stunde sind gerade mal 1,5 km geschafft, ab und an Sandpassagen, ca. die Hälfte davon Kletterpartie. Bei jedem Tritt oder Griff in Spalten auf der Suche nach Halt versuche ich die Gedanken daran zu verbannen, welche Untiere dort wohnen könnten. Das Gestein ist griffig, das bedeutet aber auch rau. Rückwärts runter, das Schienbein ratscht am Fels entlang. Zufällig habe ich ein Desinfektionstuch dabei, Jürgen spendiert zwei Pflaster, weiter. Die Sonne brennt, die Zunge klebt am Gaumen, km drei. Meine Meniskusknie melden vermehrt, dass ihnen die häufigen großen Steigwinkel nicht gut tun, vor allem das Operierte meckert. Endlich wird die Strecke einfacher, ein Teil des Rückwegs führt über recht gute Sandpiste. Nach drei Stunden fallen wir im Rest Camp ein. Schokominteis, Ginger Ale, langsam kehren die Lebensgeister zurück. Ich sollte noch erwähnen, dass wir neben bunten Vögeln, Pavianen, Schildkröten, Klippschliefer, erstmals auch Klippspringer – kleine Antilopen, die völlig ohne Wasser auskommen – sehen. Abends besuchen uns zwei gefleckte Ginsterkatzen, possierliche kleine Tiere.
Nordwärts trifft die Karoo auf die rote Kalahari; die Staaten Südafrika, Botsuana und Namibia bilden ein Dreiländereck. Grenzüberschreitend breitet sich der Kgalagadi Transfrontier National Park aus. Bei Two Rivers kann man z. B. in den Park einfahren und je nach Bedarf/Reiseverlauf die Immigration absolvieren. Bislang unproblematisch, da die drei Staaten für das Gros der Touristen visumfreie Einreise bietet. Bis zum 01.04.2025, dann schert Namibia aus, Angehörige von 30 Staaten werden visumpflichtig. Administration von übermorgen. Heute Abend machen wir einen organisierten Game drive. Es soll Löwen und andere Großkatzen im Park geben.
30.10. – 04.11.2024 Die Khoikhoi waren vor wenigen Jahrtausenden namengebend: Tsitsikamma, Sprudelndes Wasser. Zu Recht, Ozean, Seen, Flüsse, Wasserfälle kennzeichnen die Gegend. Auf Wanderwegen, die auch in die nahen Berge führen, kann der Nationalpark mit 80 km Küstenlinie erlebt werden. Längere Touren, wie der berühmte Ottertrail, dauern gleich fünf Tage. Der Klassiker vom Camp aus führt zum Storms River Mouth. Ein populärer Ort, wir sind umgeben von Tagestouristen, jung wie alt. Zahlreiche Stufen führen zur Mündung des Flusses aus dem engen Canyon in die Weiten des Ozeans. Sieben Meter hängt die 77 m lange Suspension Bridge an der tiefsten Stelle über der Flussmündung und erlaubt wunderschöne Blicke in den Canyon und auf die Mündung. Selbe Wegführung, hin wie zurück, insgesamt knapp fünf km, doch immer wieder gibt es Neues zu entdecken. Kleine Wasserfälle, urwaldartige Vegetation, bunte Blüten, Vögel, Eidechsen, Klippschliefer, sich träge in der Sonne räkelnd. Durch nichts lassen sich die putzigen Gesellen aus der Ruhe bringen.
Noch ein kurzer Abstecher ins Robberg Nature Reserve, bevor wir Ive in Knysna bei Antje und Paddy im Hof parken. Passt, so gerade! Das Buschwerk ist nun stellenweise etwas lichter. Antje, Tochter einer ehemaligen Arbeitskollegin und Freundin kennen wir seit gut 30 Jahren. Sie verschlug es ans Ende der afrikanischen Welt. Paddy, Südafrikaner, ist schon länger hier. Zwei Hunde komplettieren das Quartett. Drei Tage genießen wir Aufmerksamkeiten und Bewirtung: Paddys Kochkünste, Antjes Backwerk, der Mohnstreusel, mhhh, ein kurzweiliger Motorradausflug mit Luke nach Brenton on Sea, Shoppingtour für dies und das, Hundespaziergänge. Viel gibt es zu erzählen, von guten und schlechten, alten wie neuen Zeiten, über die spinnerte Welt. Elektrozäune und Stacheldraht suchen wir auf den freundlich, friedlichen Knysna Heads vergebens.
Weiter entlang der Gardenroute. Teepause am schönen Strand von Wilderness. Bei George über den spektakulären Outeniqua-Pass, der leider im Nebel versinkt und uns so manchen Blick schuldig bleibt. Nordwärts Richtung Karoo National Park bis zur Louvain Guest Farm im Langkloof Valley. Ein Idyll im Wald, umgeben von Seen, Wiesen und Bergen, versunken im kalten, feuchten Dunst. So verabschieden wir uns morgens nach einem anregenden Kaffeeklatsch mit Morné Jonker von ihm und seiner Farm. Als eine der größten am Westkap ist sie vor allem wegen der Straußenfedern weltweit bekannt, von den Olympischen Spielen in Paris bis zum Karneval in Rio.
Wir umrunden quasi den Swartberg, queren zahlreiche Bäche, die zu Flüssen wurden, Berglandschaft an die Seealpen erinnernd. Wetter- und Lichtspektakel wechseln sich ab, Regen, Sonne, Regenbögen. Prince Albert ist ein städtebauliches Kleinod mit schönen Gärten, das einen Stopp wert gewesen wäre. Warum hielten wir nicht, sind nicht geblieben? Keine Ahnung. Nun stehen wir an der Tankstelle von Prince Albert Road zwischen Truckern neben der Hauptstraße im eisig kalten Wind.
23.10. – 29.10.2024 Der Camdeboo National Park am Nqweba Dam bietet kaum Wildlife; kleinere Antilopen, Strauße und knallbuntes Federvieh. Einige Gnus in der Ferne machen wir auf der Rundtour mit Ive aus. Motorradfahren im Park ist verboten, zu Fuß gehen sowieso, wegen gefährlicher Wildtiere. Angeblich gibt es Wasserbüffel. Ach ja, zwei große Schildkröten sehen wir noch. Auf dem doppelt eingezäunten Camp sind die Grünen Meerkatzen (Vervet Monkey) eine wahre Plage. Die Biester klauen alles Fressbare, steigen dafür durch Ives Fenster, durch die Tür kommen sie sowieso. Artgerechtes Leben? Geht anders! Die Umgebung bietet jedoch Highlights. Das Kolonialstädtchen Graaff-Reinet im Park ist mit 200 unter Denkmalschutz stehenden, gepflegten Gebäuden eine wahre Perle, einer der am besten erhaltenen historischen Orte des Südens. Landschaftlicher Höhepunkt ist ohne Zweifel das Valley of Desolation. Grandiose Aussicht auf das weit unten liegende Graaff-Reinet, in die Ebene der Halbwüste Karoo, in den engen, tiefen Canyon mit mächtigen Doleritsäulen, genießt, wer sich auf die Höhen begibt. Das Auge ist stets bemüht, in den Säulen Strukturen zu erkennen, den Horizont zu suchen. Atemberaubend, nahezu mystisch das Erlebnis des National Monuments. Wir nehmen das Mopped, mit Ive ist die recht gut ausgebaute, geteerte Anfahrt auf den Berg wegen Übergewicht verboten, wie übrigens die gesamte Parklandschaft vor Verboten strotzt: Hunde, Drohnen, Wanderungen … Unser Fazit: Der Besuch des Camdeboo NP selbst lohnt nicht, Graaff-Reinet und Valley of Desolation sind sehenswert. Am Rande bemerkt: Von den vier bei OsmAnd/Internet aufgeführten Campingplätzen gibt es nur (noch?) einen, den mitten im Park!
Weiter gen Süden begleiten uns üppig blühende Sukkulente und Kakteen. Den ganzen Farbkasten nutzt die Natur für die Gegend. Später führen weite Strecken durch Agrarland. Zitrusplantagen soweit das Auge reicht. Betörender Blütenduft hängt schwer in der Luft. Meist weiß blühende Rosen, orange die Lilien, bunte Bougainvillea am Wegesrand. Schöne Farmhäuser, riesige Packstationen, hier und da statt Freiland Gewächshäuser. Stabil gebaut, nichts ist zerfleddert bzw. zerrissen, nirgendwo fliegt/liegt Plastikmüll herum, sauber erscheinen Landschaft und Verarbeitungsstätten. Anders als wir es mancherorts aus der EU/Spanien oder von Nordmarokko kennen.
Im Addo Elephants National Park, einem der größten Naturparks Südafrikas, werden ausländische Besucher für afrikanische Verhältnisse auf eher engem Raum untergebracht. Einheimische haben es etwas großzügiger und tierische Bewohner genießen 1640 km² Freiraum. Wir gehen auf die Pirsch, die sog. Big Five (Löwe, Elefant, Nashorn, Schwarzbüffel, Leopard) und kleines Getier aufzuspüren. Einen ganzen Tag verbringen wir im Park. Treffen hier und da Leute, kreuzen und queren herum, meist auf guten Pisten, so kann auch Jürgen, ich habe heute Fahrpause, immer wieder den Blick schweifen lassen. Zebras, Elefanten ganz nah, besonders die Einzelgänger. Kleinere Gruppen mit Jungtieren bleiben auf Abstand. Schildkröten an den Tümpeln lassen sich eh kaum aus der Ruhe bringen. Die Warzenschweine, verschiedene Antilopenarten und ein Schwarzrückenschakal sind deutlich schreckhafter. Wasserbüffel halten beobachtend Abstand. Auf die angebotene Nachtpirsch verzichte ich tags drauf enttäuscht. Das Wetter schlägt erneut um, es stürmt und regnet. Keine gute Voraussetzung für die Safaritour. Insgesamt ist unsere „Ausbeute“ im Addo mager. Warum? Viel Regen heißt viele Wasserlöcher, meist gut gefüllt. Demzufolge finden die Tiere das Nass vor der Haustür, große Wanderungen sind unnötig. Außerdem wurde der Park seit seiner Gründung in 1931 immer wieder vergrößert und wo gerade wer wohnt bzw. stromert, wissen die Touris eher nicht. Ferner sind einige Wege für sie gesperrt, Ranger sowie offizielle Safariautos dürfen sie nehmen. Vielleicht haben wir beim nächsten Besuch mehr Jagderfolg.
Unterwegs gen Westen treffen wir immer wieder auf Verwüstung durch die Sintfluten. Unterspülte Brücken, ganz oder teils gesperrte Straßen. Bei grauem Himmel und Nieselregen wirken die armseligen Barackenbehausungen um Port Elisabeth herum noch trostloser, überall schwimmt Müll oder flattert, verfangen, in Büschen. Angesichts dessen erscheint es kaum verwunderlich, dass wir in bestimmten Vierteln immer wieder die Abdrücke brennender Autoreifen als Zeugen heißer Wut sehen. Chancenlosigkeit, Ungleichheit, nicht nur zwischen Schwarz und Weiß. Insbesondere auch in Südafrika ist die schwarze Oberschicht extrem reich. Immer mehr Schwarze gehören in Südafrika inzwischen zur Elite der Gesellschaft. Sie verdienen Millionen, lassen es sich demonstrativ gut gehen – und vergessen mitunter, für welche Ideale ihre Väter und Großväter einst gekämpft haben. So die Frankfurter Rundschau 2019. Mandelas Nachfahren sind heute die Neureichen, welche anscheinend mit Genuss die Fehler wiederholen, die einst von der meist weißen Oberschicht ausgingen. Nicht schwarz, weiß oder farbig sind das Problem, sondern Neid, Raffgier, Dekadenz. Zufriedenheit, Menschlichkeit, Achtsamkeit wären eine Lösung. Die Farbigkeit spielt keine Rolle! Zudem, wenn man bereit ist, die unterschiedlichen Mentalitäten zu akzeptieren und zu respektieren.
Regen. Nach vielen Jahren der Dürre sind die Talsperren nun gut gefüllt. Doch noch mehr Regen ist vorausgesagt, erzählen die Anwohner bei Noorshoek an der Touristenstraße entlang des Gamtoos. Sie gewähren uns Nachtplatz, da Campingplätze entweder nicht mehr vorhanden, bzw. geschlossen sind und beschenken uns mit frischen Eiern von den Hofhühnern und eingelegten grünen Feigen. Ob des Wetters raten sie davon ab, auf die 200 km lange, rauhe Baviannskloof Piste durch das schöne Bergland zu fahren. So verabschieden wir uns, bedanken uns noch mit einer CD von Jackson, ist ja auch bald Weihnachten, und ich erklimme, wie meistens morgens, den Fahrersitz. Vor mich hinträumend gehts entlang üppig und bunt blühender Blumen, Büsche, Bäume in lila, gelb und rot, entlang meiner persönlichen Gardenroute, bis vom Beifahrersitz die Frage kommt, wo ich denn hinfahre? Berechtigt! Falsche Richtung. Nicht auf weißen Straßen weiter in die Berge wollen wir, sondern an den Ozean. Schweren Herzens wenden, es war sooo schön, ca. 10 km retour, abbiegen auf eine Piste. Mhhh!? Anfangs gut geschottert, die Passage über den Gamtoos River steht auch noch nicht unter Wasser. Seichte Kurven, leicht bergan. Das Popometer sagt: Wir rutschen mehr als wir fahren! Anhalten. Mein Beifahrer meint: Weiterfahren, wenn du nochmal anfahren kannst. Kann ich, gaaanz vorsichtig, aber trotz Geländegang schmiert Ive kurz drauf ab. So gerade noch stoppe ich ihn parallel zum linken Straßengraben. Beim Aussteigen erkennen wir das Desaster. Die Piste ist wie Schmierseife auf Eis. Straßenbau, dann versucht der Cheffahrer sein Glück. Das endet damit, dass wir nicht mehr 180º zur Piste stehen, sondern 90º. 1,5 Räder im Graben, 2,5 auf der Piste. In Anbetracht der vielen Landmaschinen um uns herum verzichten wir aufs Schlammsuhlen. Jürgen geht auf die Suche nach einem geeigneten Gefährt, während ich die Welt mit unserem Missgeschick unterhalte. Mit einem Toyota Hilux nebst Besatzung kehrt er zurück. Mhhh? Weiter Straßenbau, die Fahrzeuge mit Kette verbinden und in der Tat zieht David den Goliath aus dem Graben zurück auf die Piste. Dass Ive in der falschen Richtung steht, ist meinem Cheffahrer egal. Langsam, mitten auf der Piste, fährt, rutscht er bergab. Eine bestens gekieste Einfahrt ermöglicht das Wenden. Und erneut startet das Damenprogramm, diesmal erfolgreich, Richtung Tsitsikamma-Nationalpark, Teil des Garden Route Nationalparks. Am Storms River Mouth ergießt sich der Fluss in den Indischen Ozean, nachdem er tiefe, bizarre Schluchten grub. Nahebei liegt die Campsite des Parks, wir treffen auf das Weltmeer und gepflasterte Stellplätze. Und Regen.
17.10. – 22.10.2024 Bei Estcourt beginnen die sog. Midlands, die sich über Mooi River, Nottingham Road,Howick bis Pietermaritzburg erstrecken. Die R103 mäandriert nicht nur durch lieblich grünes Hügelland, sondern auch an charmanten Destinationen entlang. Very british, das Wohnambiente mit entsprechendem Rasen, leider auch das Wetter. Neben seltenem Sonnenschein wird es zunehmend kühl und nass. Kunstgewerbe, Ausstellungen, Farmen mit hausgemachten Delikatessen, Weingüter, Cafés, Restaurants. Zu Jürgens Geburtstag unternehmen wir eine kleine Gourmettour: Bestes Eisbein und ein paddle of beer im The Bierfassl bei Nottingham. Zwischenstopp am noblen Eliteinternat für Jungs bei Balgowan. Am Lion River empfangen uns die Gastgeber der Abingdon Winery warmherzig, bieten eine feine Weinprobe mit kulinarischer Begleitung am lodernden Kamin.
Tags drauf ein wenig Kultur. Wir besuchen den Ort der Verhaftung von Nelson Mandela im August 1962. Heute befinden sich hier ein aufschlussreiches Museum nebst beeindruckendem Denkmal. Mandela lebte immer wieder im Untergrund. Seine Zugehörigkeit zum ANC (Afrikanischer Nationalkongress), 1912 gegründet und von 1960 – 1990 verboten, zwang ihn dazu. Denunziation wird als Grund angenommen, warum er an der R103 aufgespürt werden konnte. Verrat aus eigenen Reihen und/oder vom CIA? Die Unternehmungen gegen die Apartheid waren nicht immer von allen ANC-Mitgliedern gleichermaßen goutiert. Und in der Weltpolitik standen sich, die Situation in Südafrika und die ANC-Aktionen betreffend, West/USA und Ost-Block gegenüber. Ein Nebenaspekt: Die 1967 aufgelegte ANC-Zeitung Sechaba (Nation, Volk) war bis zur Wende DDR-finanziert und wurde auch dort gedruckt. Die Journalistenzentrale war stets London. Das Drama aller Zeiten hat eigentlich nur ein einziges Thema gehabt: Die Unfähigkeit der Menschen, miteinander zu leben. So Gerhard Bronner.
An den nahen Howick Falls im gleichnamigen Ort fällt das Wasser zu Tal sowie vom Himmel. Nasse Klamotten, feuchte Schuhe, frieren verbrennt enorm Kalorien. Gott sei Dank serviert das Belgian Chocolate & Waffles zum Ausgleich üppig süße Sünden. Als wir abends Ive am Tumble Downs unter einem Baum parken, kommen wir uns wie in einer Tropfsteinhöhle vor. Der Restaurantchef heißt uns freundlich willkommen. Aufmerksame Bedienung, lodernde Kamine, schmackhafte Grüße aus der Küche, ein gelungener Geburtstagsabend. Ein besonderes Danke den drei Gastgebern für schöne Nachtplätze zum Nulltarif!
Ihren Abschluss findet die Gourmettour im La Petite France bei Howick. Der Hof bietet eine Palette verschiedener Käse, Butter, Yoghurt aus eigener Herstellung an. Die Milch stammt von glücklichen Kühen und in Südafrika findet auch das Fleisch der erforderlichen Kälber Abnehmer. Eine Palette von Marmeladen, Honigen, Relishs und Chutneys, und natürlich Fleisch, rundet das umfangreiche Angebot ab, das üppig Einzug in Ives Staukästen hält. Eine kleine Käseverkostung, Zitronenkuchen garniert mit Sahne und Lemoncreme sowie Cappuccini, dann gehen wir wieder auf die Piste. Angesichts des miserablen Wetters werden wir das Hochland von Lesotho umrunden statt es zu queren. Nachtstopp ca. 300 km später in Bethlehem, keine Krippe, eine große Tankstelle an der Shopping Mall bietet Asyl.
Mit Bloemfontein queren wir eine der drei Hauptstädte Südafrikas. Die Zwistigkeiten unter den Provinzen bzw. ihrer Hauptstädte Pretoria (Exekutive, Regierungssitz), Kapstadt (Legislative, Parlamentssitz) und Bloemfontein (Judikative, Oberstes Gericht) wurde durch eben diesen Kompromiss der Aufteilung beigelegt. Und Johannesburg? Ist nur die größte Stadt im Staat. Evtl. liegt es am Unwetter, Regen, Matsch … Bloemfontein scheint keinen Aufenthalt wert. Im kleinen Trompsburg übernachten wir nahe der Polizei in einer netten Nebenstraße. Weiter auf dem Weg südwärts liegt Middelburg, soll nett sein und bietet einen Supermarkt, um Frisches aufzufüllen. Doch der Glanz der Jahrhundertwende ist vergangen, Verfall. Die Jugend liefert einen Eindruck von nie gesehenen guten Zeiten. Dreckig, verlumpt und in Horden bettelnd sind sie weder Zierde noch animieren sie mit ihrer Aufdringlichkeit zum Verweilen. Zudem ist das 100 km entfernte Graaff Reinet im Camdeboo Nationalpark nah. Leider herrscht auch hier weiterhin Nieselregen. Um uns herum brennen trotzdem die Grillfeuer. Ein Teil der Einkäufe verlangt nach Zubereitung und so erringt auch Jürgen den Sieg übers Wetter.
10.10. – 16.10.2024 Die Drakensberge sind ein gewaltiges Gebirgsmassiv. Dessen höchste Erhebung liegt mit knapp 3500 m im kleinen Königreich Lesotho, vollständig von Südafrika umzingelt. Rund 1000 km entlang der Ostgrenze hat die alpine Region enormes touristisches Potential. Zahllos reihen sich Nationalparks, teils mit UNESCO Welterbestatus, aneinander. Geologische Formationen bescheren landschaftliche Vielfalt von sanften grünen Hügeln bis hin zu vielfarbigen, steilen, schroffen Felsen. Zwischendrin Wasserfälle, Bäche, Tümpel, Seen. Im Golden Gate Highlands National Park erleben wir, wie die untergehende Sonne die Sandsteinformationen in goldenes Licht taucht, daher der Name.
Im Royal Natal National Park stürzen die fünfstufigen Tugela Falls, mit fast 1000 m Fallhöhe das Weltsuperlativ, vom Amphitheater herab. Theoretisch, wenig ergiebige Regenzeiten bringen uns um den Anblick. Das Amphitheater ist ein Felsrund von fünf Kilometern Breite und eben 1000 m Höhe, eines der spektakulärsten Felsmassive der Welt. Die 30 m hohe Stahlleiter, seit Jahren ´under construction´, die es am Schluss zu erklimmen gilt, um auf die Höhen zu gelangen und Trittsicherheit fordert, lassen mich zaudern. Doch insbesondere von unten ist die Sicht aufs Felsrund spektakulär, wenn es nicht stetsdiesig wäre.
Wer mag geht mit auf einen Exkurs zu Farnen und Klima: Während des Wanderns begeistern mich Baumfarne, die wir vornehmlich in feuchteren Senken antreffen. Langsam wachsend, lassen die Ausmaße darauf schließen, dass einzelne Exemplare im Park mehrere hundert Jahre alt sind. Seit rund 400 Millionen Jahren bereichern sie die Flora wärmerer, nie ganz trockener Regionen und sind somit älter als die Dinosaurier. Wie kann sich eine Klasse so lange etablieren? Ich recherchiere ein wenig, das Studium ist soooo lange her und Pflanzen für mich vornehmlich essbar von Interesse. Ja, vor Millionen Jahren gab es weitaus mehr Farne als derzeit und die Gleichheit mit heutigen ist auch nur bedingt. Als dominierende Landpflanzen wuchsen sie als erste quasi der Sonne entgegen, entzogen der Atmosphäre mehr CO2 als Wettbewerber und sorgten entsprechend für den Anstieg der Sauerstoffkonzentration. Photosynthese, das Zauberwort. Im Laufe der Zeit nahmen CO2 und Temperaturen ab, die Konkurrenz zu, doch Baum-Farne verschwanden nie ganz. Warum nicht? Eine schlüssige Antwort finde ich nicht. Das Thema ist komplex, zudem sind sog. lebende Fossile bzw. Relikte gar nicht so selten, man denke nur z. B. an Welwitschie, Quastenflosser, Pfeilschwanzkrebse. So schwenke ich ab, stoße auf jüngste Klimarekonstruktionen, die zeigen, dass Temperaturschwankungen auf der Erde größer waren als bisher gedacht. Maximalwerte von 36° C werden auf die Saurierhochzeit vor rund 90 Mio. Jahren errechnet, 11° C während der letzten Eiszeit vor ca. 20TJahren. Derzeit beträgt die Durchschnittstemperatur ca. 15°C. „Gleichzeitig enthüllt die Rekonstruktion … Warmphasen mit Temperaturen zwischen 25 und 36 Grad machten rund 41 Prozent der Gesamtzeit aus.“ So schreibt Nadja Podbregar (https://www.scinexx.de) über die Quelle aus Science, 2024, Smithsonian, University of Arizona. Nun, Massensterben und Überpopulation, Erdkrustenverschiebungen, Oman in der Antarktis und Palmen am Nordpol – alles mal geschehen bzw. im Fluss; lebende Fossilien schafften es ins Heute. Mehr hier.
Zurück zu uns, kein Wimpernschlag im Zeitgeschehen von Erdgeschichte und Evolution. Wie bereits die Nationalparks zuvor unterscheidet sich auch der Champagne Castle im Maloti Park, Abschnitt der großen uKhalamba Drakensberg Region. Nicht nur bezüglich des Wetters. Von über 30° C fallen die Temperaturen um ca. 20° C. Nebel wabern, Gewitter zieht auf, ergiebiger Regen fällt. Die Tage bleiben kalt und nass, der Blick aufs Matterhorn verwehrt, ebenso wie Hunden der Zugang zu den drei Nationalparks. Sonstige Tiere: weitestgehend Fehlanzeige, sehr selten kleine Antilopen, öfters freche Paviane und Meerkatzen. Wir verlassen die Drakensberge und fahren in die Midlands. Ein Blick aufs Durnford Ford nahe der alten Garnisonsstadt Estcourt, dann campen wir im Wagondrift Reserve am Stausee, im Sonnenschein.
Ach, Wetter, da fällt mir ein: Zum Jahreswechsel haben wir die Flüge gebucht. Fünf Wochen werden wir diesmal in Deutschland weilen.
Auf https://majuemin.de/veroeffentlichungen/ könnt ihr nachlesen, was Gerhard Reuther wieder (über uns) berichtet.
Nachtrag zu Soweto, Danke Sydney für die Fotos!
06.10. – 09.10.2024 Zeitig am Sonntagmorgen holt Sydney uns ab. Soweto, die South Western Townships Johannesburgs, sind unser Ziel, assoziiert mit Halbwissen und Vor-Urteilen. Wir lernen. Nein, Soweto ist kein Slum. Es ist ein Zusammenschluss von Townships, von stadtplanerisch definierten, abgegrenzten Siedlungsgebieten, abseits der von Weißen errichteten und bewohnten Areale. In festen Gebäuden leben hier Schwarze, Farbige und Inder. Das Wachstum Johannesburgs sowie die Ausgrenzung durch die Apartheidspolitik führten u. a. zum Anstieg der Bevölkerungsdichte. Aus Armut, beengten Verhältnissen, Abwesenheit von regulärer Sanitär-, Wasserver- und -entsorgung resultierte Verelendung. Nach und nach entstanden Slums, die es auch heute noch gibt, wie weltweit in vielen Großstädten. Soweto ist eine Stadt mit mehr als einer Million Einwohnern, gegliedert in verschiedene Stadtteile und aktuell Teil von Johannesburg. Nein, Soweto besuchen ist nicht gefährlich. Ja, ein Aufenthalt in Soweto ist gefährlich. Beides stimmt. In den meisten Groß-Städten der Welt würden wir uns erkundigen, was besuchenswert ist, und welche Teile man eher meiden sollte. Sydney kennt sie und wir erleben ein Soweto, das mit unseren Vorurteilen keinesfalls übereinstimmt. Mit dem Nelson Mandela Haus beginnt die Besichtigungstour. In dem freistehenden Backsteinbau mit mehreren Zimmern lebte der Kämpfer gegen die Apartheid und für Menschenrechte mit seiner Familie, wenn er nicht gerade im Gefängnis saß, fast drei Jahrzehnte lang u. a. auf Robben Island. Lange Zeit der Einzelhaft, vier Quadratmeter klein die Zelle, zweimal im Jahr durfte er einen Brief schreiben. Ein Auszug …humility, purity, generosity, absence of vanity, readiness to serve your fellow men… (Demut, Reinheit, Großzügigkeit, Abwesenheit von Eitelkeit, Bereitschaft, seinen Mitmenschen zu dienen)… Keine Telefonate, Besuche fast keine, Unmenschlichkeit alltäglich. Im Haus bieten auch private Fotos überraschend Einblick ins Familienleben. Interviews mit den Töchtern können auf Video-Bildschirmen verfolgt werden. Auch Winnie, Mandelas zweite Frau, bezahlte ihr politisches Engagement mit mehrjährigem, brutalem Freiheitsentzug. I am the product of the masses of my country and the product of my enemy (Ich bin das Produkt der Massen meines Landes und das Produkt meines Feindes.), liest man im Wohnhaus. Auch wenn einzelne Verurteilungen zu Recht erfolgt sein mögen, ein Mensch bleibt ein Mensch. Differenzen im Umgang mit Rassen-Diskriminierung, mit politischem Recht und Unrecht führten zur Trennung des berühmten Paares. Nelson Mandela ebenso wie der Erzbischof und Menschenrechtsaktivist Desmond Tuto erhielten den Friedensnobelpreis. Beide wohnten kaum einen Steinwurf voneinander entfernt in der Vilakazi Street Sowetos. Einmalig weltweit.
Mehr als eine Erwähnung wert wären der Schüler Hector Pieterson bzw. der Student Mbuyisa Makhubo. Hector, keine 13 Jahre alt, starb am 16. Juni 1976 durch eine verirrte Kugel bei friedlich begonnenen Aufständen junger Menschen gegen die Apartheid. Der Student Mbuyisa trug den sterbenden Jungen vom Ort des Aufstandes weg und ist seit damals verschwunden. Das symbolkräftige Foto ging um die Welt. Soweto gedenkt der beiden mit Denkmälern, Schautafeln und einem Museum.
Fast 50 Jahre sind vergangen. Hat sich grundsätzlich etwas verändert? Ja, vieles, meint Sydney, als ich ihn frage. Und was ist mit Mauern, Stacheldraht, Elektrozäunen, mit Korruption zu Lasten sozialer Gerechtigkeit? Beide zucken wir die Schultern, wissen keine Antwort ob der weltweit zunehmenden Krisen.
Die Soweto Towers, zwei Kühltürme eines stillgelegten Kohlekraftwerkes, sind heute Freizeitattraktion. Bungeespringen, abseilen, klettern u. v. m. bietet der Park. Uns reicht ein Blick aus der Ferne. Im Soccer City FNB-Stadion nahe Soweto wurde das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 2010 ausgetragen. Die dazu erfolgte Erweiterung des bestehenden Stadions bietet nahezu 100.000 Menschen Platz. Eine imponierende Anlage, in der nicht nur Fußball gespielt wird. Die Arena war z. B. im November 2018 Austragungsort des ´National Day of Prayer´.
Ein wahres Kontrastprogramm ist Montecasino. Ein riesiges Spielcasino, umgeben von Bars, Gastronomie, Shops, Hotels. Wir hätten nicht erwartet in Afrika auf ´Little Italy` zu treffen. Die Kuppel des Pantheon, römische Brunnen, Gassen, Plätze, ein Fiat 500 … Lichterspektakel bis hinauf zum Kunsthimmel, der abwechselnd Morgendämmerung, strahlenden Sonnenschein und Sonnenuntergang bietet. In Las Vegas, Dubai ja. Warum nicht auch in den Metropolen Afrikas? Erneut ein widerlegtes Vor-Urteil. Dank Sydney erleben wir Soweto, Johannesburg entspannt und gespickt mit Informationen, die nur selten Eingang in Reiseführer finden. Unbezahlbar! Eine kleine Anerkennung für sein Engagement sind die Musik von Jackson sowie unser Buch. Sidney spricht etwas deutsch, war als Student dort zum Auslandssemester.
Einrücke verarbeiten, wandern durch die Viertel der Reichen, Cappuccini genießen, dann verlassen wir den Jan Smuts Park bei Pretoria in Richtung Drakensberge. Doch wir kommen mal wieder spät weg. Denn länger unterhalten wir uns mit Gurj und Liz, die von Pretoria nach Kapstadt ziehen und die Zeit bis zum Einzug per Auto mit Dachzelt reisen. Beide kennen Deutschland, sprechen die Sprache recht gut. Gurj war leitender Militär der südafrikanischen U-Bootwaffe, von denen zwei aus D stammen.
Unterwegs nach Süden steht Heidelberg, Frankfort, Heilbronn, Nauheim auf den Schildern. Eine Mischung aus Eifel und Alpen um uns herum. Es ist kühl, es dämmert. Bis zum ersten Camp in den Drakensbergen sind es noch 40 km Bergstraßen. Das ist uns zu weit. So passt in Kestell die Polizei auf uns auf, macht sie gerne.
Ihr ahnt es schon? Wir reisen weiterhin durch Südafrika, holen vermehrt Informationen von Einheimischen ein, erhöhen unsere Aufmerksamkeit und verzichten weitgehend auf freies Camping. Im Golden Gate Highlands National Park erwerben wir die sog. WildCard , die uns ein Jahr lang unbegrenzt freien Zutritt zu den meisten Naturparks in Südafrika bietet. Für Ive findet sich ein wunderbarer Platz direkt unterhalb des Mushroom Rock. Gewitter, es regnet.
30.09. – 05.10.2024 Das Er-Leben fährt Achterbahn mit uns. Rauf und runter, Höhen und Tiefen wechseln schneller als wir mitkommen. Unsere Einreise bei Groblersbrug am 30.09. verläuft fix. Ive muss draußen bleiben. Mehr als 48 Stunden dauern Korruptionsversuche, administratives Tauziehen, Umgang mit Hochmut. Was geschieht? Das Carnet mit botsuanischem Ausreisestempel ist nur noch heute, 30.09., gültig, das neue Papier ab morgen. Haben wir denn die Autorisierung, das neue Carnet zu nutzen? Nein, wozu, was soll das sein? Das Carnet ist, ähnlich einem Reisepass, ein KFZ-Zolldokument mit jeweils einjähriger Gültigkeit. Unabhängig davon darf das KFZ zwölf Monate in der Zollunion bleiben, dann ist es zu exportieren und kann daraufhin erneut eingeführt werden. Ive ist seit dem 23.08.24 in der Union. Ergo, alles ok!? Nein! Der Vorgang muss verschriftlicht werden, evtl. eine Autorisierung eingeholt werden. Falls das vor Feierabend nicht zu bewerkstelligen ist müssen wir bis morgen warten. Dann sei ja auch das Carnet gültig und die Sache erledigt sich evtl. von selbst. Feierabend zu nah, Problem zu groß, zwischen Truckern, Pendlern, wenigen Urlaubern, Geldwechslern, Schiebern, was weiß ich, verbringen wir die Nacht an der lebhaften Grenze, hoffen auf morgen. Heute Abend fehlt uns Minouk, unser Schutzengel, Tröster, Stimmungsaufheller gerade wieder ganz besonders.
Der morgendliche Besuch beim Zoll bringt die Erkenntnis, dass das alte Carnet nicht mehr gilt und das neue nicht validiert ist! Wer validiert? SARS, der Finanzdienst der südafrikanischen Regierung, auf der Grundlage eines Antrags des südafrikanischen Automobilclubs AA, dauert bis zu sieben Tage. Schneller geht es, wenn wir statt dessen Ive durch Hinterlegung einer vom Zoll zu definierenden Summe auslösen! Der Geruch von Korruption und Desaster wabert durchs Büro. Ex Cathedra werden unsere Argumente vom Tisch gewischt. Wir bleiben bei der ´offiziellen´ Variante und bekommen die Telefonnummer des AA. Dieser fordert Kopien von den Carnets und Jürgens Pass, sendet nach Erhalt eine Mail an den ADAC mit der Bitte um Bestätigung, dass das neue Carnet valide sei. Der ADAC bestätigt umgehend, versteht jedoch nicht recht, was abläuft, wir telefonierten zwischenzeitlich mit den Münchenern. Nächster Schritt: Ein Dokument ist auszufüllen, in dem wir erklären, wann das KFZ in Südafrika einreiste und warum es nicht rechtzeitig ausgeführt wurde. Wir füllen aus: KFZ nicht eingereist, entsprechend auch nicht (verspätet) ausgereist. Dem ADAC, involviert in den E-Mail-Verkehr, geht ein Licht auf: Das Dokument stammt aus der Covidzeit, wo es nebst Vorgang Gelder von Gestrandeten einbrachte, wohl bis heute. Kommt Transparenz in die Geschichte?
Mit Carnet reisen meist wohlhabende Privatleute überwiegend weißer Hautfarbe. Jahrhunderte dominier(t)en diese die Geschehnisse in Afrika. ´Schaffe, schaffe, Häusle baue´ – Mentalität lässt die Wirtschaft prosperieren. In Namibia erbringt z. B. die 10% weiße Bevölkerung den weit überwiegenden Finanzeintrag in die Staatskasse. Profiteure: eine kleine, extrem reiche schwarze Oberschicht sowie Weiße. Diese sitzen wie Stacheln im Fleisch. Zumindest Weiße wurden zwischenzeitlich weitgehend erfolgreich aus Politik und Administration verbannt, mit schwarzer Oberschicht ist das schwieriger. Im Ergebnis verschanzen sich Besitzende hinter Mauern, Draht, Elektrozäunen, begrenzen ihren Bewegungsraum auf die Stunden des Tageslichts bzw. den mobilen Untersatz. Sicherheitsdienste wachsen wie Pilz aus dem Boden. Nein, ich will nicht pauschalieren, nicht anständige Bürger brandmarken, verstehe Wut, Unmut und Not derjenigen, die täglich um elementare Lebensgrundlagen kämpfen. Covid verschärfte die Armut, die Schere zwischen den Klassen wächst, post-Covid, eine andere Seite des Staatsversagens. Unzulänglicher politischer Umgang auf Augenhöhe sowohl innerhalb eines Staates als auch international ist das Geschwür; statt Ausbeutung und Blasiertheit wären Akzeptanz von Mentalitätsunterschieden und Diplomatie Schritte zum Miteinander.
Zurück zu uns. Freundlich, respektvoll beginnen wir Kontakte auch mit der Administration. Bei Schikanen und Korruptionsversuchen werden wir schnell reservierter, formaler. Führt auch das nicht zum Ziel, formuliere meist ich resolut, klar und deutlich unsere Forderungen. So wie nach der zweiten Nacht an der Grenze. Als unser Antrag auf Nutzung des Carnets nach Zahlung der Bearbeitungsgebühren von 42,50 EUR von SARS gutiert ist und sich trotzdem niemand handlungsautorisiert sieht, platzt mir der Kragen. Meine Drohung, mich mit Ruck- und Schlafsack vor dem Büro häuslich einzurichten, bis ein Autorisierter zur Stelle ist, das Carnet zu stempeln, führt rasch zum ´Ober-Manager´. Fünf Minuten Diskussion mit dem Chef, dessen Anweisung an den Nichtautorisierten, das neue Carnet zu stempeln, draußen sind wir, mit Ive!
(Anmerkung: Diese Zeilen schreibe ich nicht nur aufgrund der geschilderten Grenzerfahrung, sondern sie sind u. a. Ergebnis der ersten Tage in Südafrika. Und bereits zuvor diskutierten wir im Süden des Kontinents lange und oft mit Schwarz wie Weiß, versuchten, die Situation einzuschätzen, das Vor-Urteil zu hinterfragen, Südafrika sei ein korrupter und gewalttägiger Crime-Hot-Spot.)
Die ersten Kilometer führen durch abwechslungsreiche Landschaft. Gebirgszüge am Horizont, aus den Ebenen erheben sich majestätische Inselberge. Der erste Supermarkt im Staat ist ein Schlaraffenland mit moderaten Preisen. Zwischenzeitlich ist es dunkel, der Weiße gehört ins Haus, doch noch haben wir keinen Nachtplatz. Südlich von Mokopane kennt das GPS die Squirrel´s Nest Lodge, klingt einladend. Ja klar dürfen wir zur Nacht parken. Bezahlen? Nein, wofür denn? Ist doch gerade eh alles im Umbau. Wow, von Deutschland bis hierher gefahren!? Welcome! Enjoy! Zwei Büchsen Bier wechseln den Besitzer. Zufriedenheit. Eine Adresse für den Ölwechsel gibts tags drauf ebenfalls. Hier warnen Schwarz wie Weiß vor dem Bummel durch Mokopane. Wir machen es trotzdem. Schauen in missmutige, zerfurchte Gesichter, denen jegliches Lächeln fehlt. Offensichtliche Abwesenheit von Wohlergehen reicht von verfilzten Haaren bis zu dicken, geschwollenen Beinen und Füßen, starkes Übergewicht, armselige Kleidung sind nicht selten. Limpopo ist eine Krisenregion erfahren wir.
Unser Ziel ist der Großraum Pretoria – Johannesburg, denn Gerhard hat einen Kontakt vermittelt und wir möchten Soweto besuchen. Auf die Welterbestätte craddle of human mankind, Wiege der Menschheit, verzichten wir, Besichtigungen sind aktuell nur eingeschränkt möglich. Im letzten Tageslicht erreichen wir das Camp Joos Becker im Norden Pretorias. Der Nachtwächter will uns wegschicken, das Büro sei geschlossen. Jürgen macht klar: Man schickt auf einer Campsite, die offensichtlich über massenhaft Platz verfügt, keine Weißen auf die dunklen Straßen der Großstadt. Der Manager muss entscheiden, gibt telefonisch sein ok. Wir parken, bereiten das Abendessen zu und erleben erneut eine Mischung aus Korruptionsversuchen, Unverschämtheiten und Arroganz incl. der Drohung von Polizei und Platzverweis. Grund: Den Gefallen, ohne Bezahlung auf dem Platz zu stehen, sollen wir entlohnen! Wir bleiben, ohne Entlohnung, es geht um ein Geschäft und keinen Gefallen. Eine Stunde später müssen wir dann doch den Stellplatz wechseln. Eine Gruppe christlicher Glaubensgefährten fühlt sich durch uns gestört, sie hätten das komplette Areal gemietet. Wir verlagern die Position und lernen so Tom und Daleen kennen, die zumindest den Abend retten. Whisky gegen Bier, Informationen gegen Frust. Ihnen widerfuhr Ähnliches. Als Südafrikaner sind sie das gewohnt! Auch sie berichten, dass man sehr vorsichtig sein muss, liefern umfassende Informationen über alte bzw. neue, sog. post Covid Kriminalitätsherde, beschreiben aber auch gegeistert die Schönheit ihres Landes. Was tun? Umgeben von Angst, Warnungen, Schikanen, Arroganz, Affronts, Aggression fühlen wir uns unwohl, nicht willkommen. Reisemüdigkeit macht sich breit. Wollen wir nur bzw. noch den südlichen Punkt des Kontinents ansteuern, direkt umdrehen? Doch wohin? In welches Pulverfass?
Morgens versteht der Manager das Problem nicht: Selbstverständlich kann bei geschlossenem Büro der Platz genutzt werden, tags drauf wird bezahlt. Er rät uns zu einer Beschwerde über den Nachtwächter, dessen Verhalten wohl bekannt ist!? Schade um den ansonsten sehr guten Platz.
In kleinen Schritten wollen wir zu einer Entscheidung kommen. Um uns mit Sydney zu treffen verlassen wir das Camp in den Süden Pretorias zum Jan Smuts Park, Premierminister der Südafrikanischen Union von 1919 – 1924 sowie von 1939 – 1948. Das Gespräch mit Sydney ist ein Entscheidungsbaustein. Einige der oben dargelegten Gedanken resultieren auch aus dem ersten Treffen mit ihm. Morgen begleitet er uns auf einen geführten Rundgang durch Soweto, die berühmte Township von Johannesburg. Dann sehen wir weiter.
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Ihr Lieben,
In keinem anderen Land ist mir die Dominanz der weißen Menschen so aufgefallen wie hier. Und sie ist schon so alt. Wird Südarika noch ein Regenbogenland werden? Es ist landschaftlich ein sehr beeindruckendes Land, Flora und Fauna einfach großartig. Wirtschaftlicher Fortschritt eher weniger für die Nicht-Weißen.. Trotzdem – wieder eine tolle Mitreiserfahrung für mich! Dankeschön!
Liebe Grüße aus dem sehr kalten Würselen,
Christiane
(Morgen soll es 17° warm werden)
Meine treue Kommentatorin,
der Regenbogen hat 7 Farben, ambitioniert ;-). Dominanz der Weißen? Die schwarze Ober- und Mittelschicht ist groß, sehr reich! Wiederholt die Fehler der Vergangenheit mit umgekehrten Vorzeichen. Mal sehen was geschieht, wenn der wirtschaftliche Niedergang Europas hier ankommt. Das Thema ist soooo komplex.
Zum ersten Advent gibt es nur schöne Erfahrungen, besonders für dich.
Herzlich Marion